Von der Insel zu den Sternen: das war die Finest Spirits 2020
/Stürmische Überfahrten, rauchige Kostbarkeiten und sogar eine Reise durch den Nachthimmel: die Neuauflage der Finest Spirits 2020 hatte wieder einiges zu bieten. Leinen los!
Der Weltraum, unendliche Weiten – so oder so ähnlich fühlen wir uns, als wir am Stand von Sieberts Whiskywelt diverse blended malts probieren, die uns direkt in den Sternenhimmel entführen. Hinter klingenden Namen wie Cassiopeia, Ursa Minor oder Pegasus verbergen sich raffinierte Mischungen aus dem Hause Scotch Universe, bei denen der Eingeweihte aus den Koordinaten ablesen kann, aus welchen Brennereien die Materie denn ursprünglich stammt. Aus einem Code lässt sich so rekonstruieren, ob man es mit einem Highlander, Speysider oder Inselbewohner zu tun hat, in welchem Fass gereift wurde und wie lange die Lagerung andauerte. Ein spaßiger Gedanke, dem wir gerne frönen und uns z.B. einen „Ursa Major III“ (also quasi den großen Bären, Teil 3 – nicht Beta Ursa Minor aus dem Hitchhiker, also der Planet, auf dem es bekanntlich immer drei Uhr ist und die Strandbars gerade aufgemacht haben) wunderbar schmecken lassen.
Aber wir greifen vor, immerhin war dies schon die letzte Station auf unserer diesjährigen Genussreise durch die Hallen des altehrwürdigen MVG-Museums in München. Unter neuer Ausrichter-Flagge – Frank-Michael Böer übergab den Staffelstab ja ans Verlagshaus Meininger – tummelt sich wieder eine bunte Auswahl von Ausstellern zwischen den alten Trambahnen – 120 an der Zahl in diesem Jahr, somit leicht weniger als 2019, aber nicht minder hochwertig. Das wird dann auch bis Sonntag Abend von insgesamt mehr als 9.600 Besuchern honoriert werden – ein beachtlicher Zuspruch, der zeigt, dass die Messe einiges richtig macht. Als Motto hat man sich dieses Mal (nach Gin und Rum) das Thema Single Malt auserkoren: klingt zunächst ein wenig überraschend, aber auf dem Presserundgang wird uns bereitwillig erklärt, dass es eben darum geht, erfahrene Whisky-Trinker zu neuen Geschmackserlebnissen zu animieren. Mit diversen Mixgetränken macht der Messepartner Metaxa (genau, die mit der Soße) den Auftakt und weiß mit seiner 12jährigen Ausführung durchaus zu gefallen. Nach einigen blended malts aus der Regional Malts Serie des unabhängigen Abfüllers Douglas Laing (hier probierten wir in den Vorjahren unter anderem schon den „Timorous Beastie“) und diversen Ausflügen zu mehr oder weniger abenteuerlichen Mixturen und Bränden – an der Finest Spirits Bar kredenzt man uns wahlweise Whisky Sour und Rob Roy auf Single Malt Basis – verweilen wir dann doch etwas länger beim guten alten Bekannten Laphroaig. Dort scheut man keine Mühen und schenkt uns gleich einmal einen Laphoraig Lore ein, der zwar ohne Alter, aber mit einem durchaus beeindruckenden Geschmackserlebnis daherkommt. Und als ob das des Glanzes nicht genug wäre, folgt auf dem Fuße ein sage und schreibe 25jähriger Kollege, der mit stolzen 51,4% aufwartet und eine wunderbar süße Rauchnote verströmt. Wunderbar! Aber es folgt noch die Kür in Form es ganz speziellen Tropfens, der speziell für die „Friends of Laphroaig“ konzipiert wurde und lange Jahre nur bei der Brennerei direkt vor Ort erhältlich war. Nachdem wir bei unserer Getränkereise auf die Whiskyinsel Islay selbstredend unseren ganz persönlichen square foot in Besitz nahmen, gehören wir dieser illustren Fangemeinde natürlich an und können dies auch per Landbesitzerurkunde nachweisen. Belohnt werden wir dafür mit zwei Ausgaben des exklusiven Laphroaig Cairdeas – was passenderweise auf Gälisch so viel wie „Freundschaft“ bedeutet und dessen Aussprache wir üben, aber umgehend wieder vergessen. Die offiziell alterslose Variante Cairdeas Fino 2018, die wir heute bestaunen dürfen, ruhte zunächst (dem Vernehmen nach hat er insgesamt 10 Jahre auf dem Buckel) in First Fill Bourbon Fässern und wartet dann mit einem Finish in Fino-Sherryfässern auf. Getrocknete Früchte und der typische Rauch kommen bei den beachtlichen 51,8% durchaus vorteilhaft zur Geltung. Als reine Bourbon-Reifung tritt uns dann die 15jährige Variante 2002/2017 entgegen, die mit 43% leichter angehaucht durchaus gefälliger strahlt. Chili und Torf sind schon ausbalanciert und harmonieren mit Vanille-Noten aus den Fässern. Dennoch tendieren wir leicht zum Sherry-Kollegen, wobei beide Fassungen fürwahr fulminant auftrumpfen. Wunderbar!
Jetzt aber nichts wie hin zu unseren beiden wohlvertrauten Damen am Stand vom Bruichladdich: während Lisa beim Gin aktiv ist, begrüßt uns Gazala gleich mit einem herzlichen „Ach, Ihr seid Wiederholungstäter!“, was uns an den wohligen Besuch gemahnt, den wir vergangenes Jahr hier abstatteten. Gleich zum Auftakt wird es wieder stockfinster: einen Bruichladdich Black Art dürfen wir wieder verproben, stolze 25 Jahre alt in der Edition 07.1, die auf 12.000 Flaschen limitiert ist. Mit 48,4% weiß uns der schwarze Magier aufs Neue massiv zu begeistern, mit deutlichen Aromen von Äpfeln und Birnen, gefolgt von wunderbaren Noten von Schokolade, Nüssen und feinem Rauch auf dem Gaumen. Ein Tropfen der Extraklasse, immer wieder. Aber wir wären hier nicht bei Bruichladdich, würde man uns nicht mit noch massiveren Kostbarkeiten bedenken: aus der ursprünglich nur dreiteiligen Rare Cask Series nehmen wir nun die Sherry-Variante, genannt „The Magnificent Seven“, zu uns, die sage und schreibe 30 Jahre reifte. Ein solch ausgesuchtes Vergnügen darf man selten genießen, insofern nähern wir uns den 44,6% mehr als respektvoll, die zunächst in First-Fill-Oloroso-Butts und anschließend in ehemalige Pedro-Ximénez-Sherryfässer gelagert wurde. Geschmacklich kann der Kollege die hohen Erwartungen jederzeit erfüllen: warm und vollmundig sind diese glorreichen Sieben, voller Früchte, Mandeln, Vanille und Honig-Noten, ohne jede Schärfe. Rar und keinesfalls alltäglich. Ebenso wie der „Bourbon All In“, der sogar mit 32 Jahren Lagerung aus den Startlöchern kommt und wie der Name schon sagt ausschließlich in Bourbon-Fässern reifte. Sage und schreibe 3.000 Flaschen davon füllte Head Distiller Adam Hannett ab, die mit 43,7% auf die Reise gehen und in der Nase erwartungsgemäß viel Vanille, Honig und Karamell entfaltet. Auf der Zunge konstatieren wir entzückt ein komplexes Ensemble von Früchten, Holz und Vanille, das lange verweilt. Wunderbar, und da darf natürlich der dritte im Bunde nicht fehlen: unter der vielsagenden Flagge „The Untouchable“ wurden Ende 2019 in 6000 Flaschen die letzten Fässer aus der Produktion von 1988 abgefüllt, bevor Bruichladdich die Tore für einige Jahre schloss – mehr als 30 Jahre stehen somit als Alter zu Buche für den Vertreter, der mit 46,2% und ungetorft daherkommt. In einer durchgängigen Eichenfass-Reifung, zunächst Bourbon-Refill, danach seltene refill squat hogsheads, entstanden Aromen von dunklen Früchten und Schokolade, auf der Zunge gefolgt von fruchtiger Süße und kräftige Eichentöne. Wir danken für dieses fürwahr außergewöhnliche Erlebnis und geloben, auch im kommenden Jahr wieder bei den Damen vorbeizuschauen.
Nun aber nichts wie die Beine in die Hand genommen und los in Richtung kleinem Clubraum, in dem wir eine der Masterclasses verfolgen wollen: die reizende Chantal entführt uns hier nämlich in die Welt von Deanston. Genau, eben jene Brennerei, die wir im Rahmen einer unserer Getränkereisen schon höchst persönlich besuchten. Nahe des kleinen Örtchens Doune (mit gleichnamiger Burgruine, die sowohl den Rittern der Kokosnuss als auch der „Ein wilder Schotte ent-/verführt mich“-Hausfrauen-Fantasie Outlander als Kulisse diente), so kündet es auch die Diashow, die Chantal uns vorführt, liegt die ehemalige Weberei, die am Ufer des Flüsschens Teith gelegen 1969 zur Brennerei umfunktioniert wurde. Während Chantal uns diese Historie näher bringt (dass es dabei wild zwischen Stirling und Doune Castle durcheinandergeht, lassen wir mal unkommentiert, wir werden eh schon humoristisch ermahnt, weil wir zu ausgelassen scheinen), wenden wir uns dem ersten Exempel zu: der Deanston Organic 15 years erfreut uns neben seiner handwerklichen Herstellungsart und 46,3% schon einmal als wohliger Auftakt, dicht gefolgt vom 18jährigen, der mit eben gleicher Stärke und hübschen Noten von Getreide und Honig aufwartet. Geschmacklich trifft dieser Variante ebenfalls ins Schwarze, mit fruchtiger, würziger Vanille und Malz. Jetzt wechseln wir zwar die Brennerei, nicht aber die Heimstatt: auch Tobermory auf der Isle Of Mull gehört zu diesem Rennstall, aus wir nun den Tobermory 18 years bestaunen dürfen, der mit – dreimal raten – 46,3% aus dem Bourbonfass abgefüllt wurde. Limette, Minze und Orangen entströmen da, die auf der Zunge in Karamell, Schokolade und Vanille übergehen. Der nun folgende 21jährige Vertreter konnte hingegen ein Finish in Oloroso-Sherry-Fässern genießen, die den typischen fruchtigen Vanillegeruch erzeugen. Geschmacklich zeigt sich dieser Vertreter ebenso fruchtig, mit viel Vanille und Karamell und einem langen Abgang mit würzigen Tönen.
Den krönenden Abschluss liefert dann ein weiterer Tobermory 21 years, der seine letzten Jahre in einem Manzanilla-Fass verbrachte. Diese Sherry/Fino-Variante, die aus lediglich 9 Fässern kreiert und in Fass-Stärke mit 53,8% abgefüllt wurde, gefällt in der Nase mit Noten von Trockenfrüchten, Birnen und Zitronen, bevor sich auf der Zunge deutliche Anklänge von dunkler Schokolade und Kaffee ausbreiten. Ganz wunderbar! Wir verabschieden uns artig von Chantal und machen nach einem kurzen Abstecher bei unseren Freunden von Mackmyra, die uns einen feinen „Vintersol“ kredenzen (ein „Säsongswhisky“ mit Port-Finish und den entsprechenden Noten von dunklen Früchten, immer wieder fein!) hin zu der Sternenreise, über die wir eingangs schon berichteten und das den späten Nachmittag dann für uns beschließt. Fazit: ein absolut hochwertiges Erlebnis, das einmal keine Wünsche offen ließ. Wir freuen uns schon auf die Ansetzung 2021 – der Termin steht schon fest: das Wochenende 5.-7. Februar 2021 sollte man sich schon einmal im Kalender oder Schlaufernsprecher anstreichen.
Alle Jahre wieder im Februar trifft sich die Crème de la Crème der Alkoholhersteller und -genießer hier in München auf der Finest-Spirits-Messe und nachdem wir ja inzwischen die Brücke zwischen Alkohol und Rock ’n’ Roll geschlagen haben