Schwarze Künste, Lords von den Inseln und süße Versuchungen: das war die Finest Spirits 2019

8/9.02.2019
MVG Museum München

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Ganz schwarz ist sie, die Flasche, geziert von einem stilisierten Pentagramm und den mystischen Zeichen für die Elemente. Ja, richtig: ein Bruichladdich Black Art mit 26 Jahren auf dem geheimnisvollen Kerbholz war eines unserer persönlichen Highlights, derer es bei der Finest Spirits auch in diesem Jahr wahrlich wieder nicht mangelte. Have dram with us…

…wobei wir uns dieses Mal aufteilen: aufgrund terminlicher Verpflichtungen ging ein Teil des Kühles Zeug-Teams erst am zweiten Messetag an den Start. Die erste Abordnung, verstärkt durch externe Experten unserer bekannten Q-Tasting-Runde, reiste allerdings rechtzeitig an, um den einführenden Worten von Event-Gründer und Mastermind Frank-Michael Böer lauschen zu können. So erfahren wir aus erster Hand, dass in diesem Jahr sogar 120 Aussteller den Weg ins MVG Museum gefunden haben, wo ein Themenschwerpunkt dieses Mal auf dem guten alten Rum in jeder Spielart liegt. Als kleine Starthilfe gibt es dann einige Pröbchen bei den Sponsoren, wobei uns der indische Paul John Brilliance mit feiner Würze durchaus gefällt (die getorfte Variante namens Bold probieren wir dann nächstes Jahr). Wirklich etwas Besonderes hat man sich bei Bowmore einfallen lassen, wo wir doch tatsächlich in den Genuss eines handfilled single cask kommen, den uns Keith MacDonald überzeugend als Leckerbissen präsentiert. Eigentlich eine 20 Jahre alte Distillery Exclusive für Besucher der Brennerei, wartet der auf 604 Flaschen limitierte und nicht gefärbte Kollege mit mächtigen 57,5% und feinem Oloroso-Sherry auf, die die typischen Aromen von dunkler Frucht ins Glas zaubern. Wenn das mal kein gelungener Auftakt ist!

Weil wir gedanklich damit ohnehin schon auf Islay sind, statten wir jetzt unseren Freunden von Bruichladdich gerne einen Besuch ab, wo uns Lisa und Gazala als höchst kompetente Fachfrauen spannende Details offerieren. Zunächst verkosten wir ein 7jähriges Exemplar aus der „The Organic“-Reihe von 2009, das aus biologisch angebauter schottischer Gerste stammt (genauer gesagt aus den Mid Coul Farms bei Invernesshire) und mit glatten 50% jede Menge Kraft mitbringt. Kredenzt man hier kaum Rauch, gilt für die Port Charlotte-Serie bekanntlich das Gegenteil: „heavily peated“ heißt hier die Devise (in Zahlen: hier sind stets 40 ppm zu finden). Wir wenden uns hier dem wunderbaren MRC: 01 (hat mit einem geschniegelten Bübchen namens CR7 nichts zu tun!) von 2010 zu, der per kleinem Zettel als „Lisa’s Favourite“ gekennzeichnet ist: jeweils zur Hälfte reifte dieser Brand in first fill American Whiskey Casks und second fill Weinfässern aus Frankreich, bevor er dann noch in einem MR-Fass ausgebaut wurde. Als erfahrene warehouse-Besucher bei Bruichladdich tippen wir hier mal gezielt auf das traditionsreiche Weinimperium, das unser guide vor Ort launig als „Ross-Child“ titulierte. Mit 59,2% breitet sich die Torfnote auf dem Gaumen aus, begleitet von Anklängen an Zucker, Honig, Vanille und Früchten. Ein famoser Tropfen, wobei wir nicht beurteilen können, ob die in den Tasting Notes genannten Mullbinden im Abgang wirklich durchkommen – wir essen die dann doch zu selten. Nebenbei erfahren wir noch, dass die Port-Charlotte-Reihe lange Zeit eher ein Mauerblümchen war, das durch das neue, schwarze Flaschendesign sowie grundsätzliche Altersangabe plötzlich zum Publikumsmagnet avancierte – man unterschätze nie die Macht einfacher Maßnahmen, kann man da nur sagen. Frohgemut wenden wir uns nun der dritten Serie aus dem Hause Bruichladdich zu: mit dem „Dialogos“ geht die legendäre Octomore-Linie in die nächste Runde. Maximum peat, so kennen wir diese zu Recht gefeierten Ausgaben, die es hier auf 167 ppms bringt (immerhin viermal so viel wie der Port Charlotte…) und 10 Jahre im Fass verbracht hat. Genauer gesagt in vielen Fässern, denn der Name ist hier wahrlich Programm und soll das muntere Zwiegespräch der zahlreichen Lagerstätten ausdrücken: Port, Cognac, Bourbon und noch so viel mehr, dass ich gar nicht alles notieren kann, sorgen für eine wie immer unnachahmliche Note, der man den massiven Rauch bestenfalls in einer angenehmen Süße anmerkt, wie sich auch die 57% hervorragend einfügen. Wie immer ein ganz besonderes Erlebnis, für das wir uns artig bedanken und versprechen, heute nochmal einen kleinen Abstecher einzubauen.

Erst einmal lenken wir die Schritte allerdings in Richtung Glenfiddich/Balvenie, wo uns Swen gut gelaunt einen feinen Balvenie Peat Week kredenzt. Unschwer zu erraten, dass es sich hierbei um einen rauchigen Gesellen handelt, den man bei Balvenie einmal pro Jahr für exakt eine Woche produziert – in der peat week eben. Mit 48,3%, einer wunderbar güldenen Farbe und gestandenen 14 Jahren (abgefüllt 2003, steht außerdem zu lesen) überzeugt diese Variante mit einer wenig aufdringlichen, angenehmen Rauchnote. Während wir uns das schmecken lassen, plaudern wir mit Swen darüber, dass der Großteil der Produktion der ebenfalls auf dem Balvenie-Gelände befindlichen Kininvie-Brennerei in den durchaus populären Blend Monkey Shoulder wandert. Den lassen wir lieber stehen, sondern greifen zu einem Balvenie 15 Years Single Barrel, der mit einer Sherry-Reifung aufwartet und sofort zu einem der Highlights des gesamten Rundgangs avanciert. Mit 800 Flaschen hat man diese Edition streng limitiert, die 47,8% und ein Aroma ins Glas zaubert, das uns noch eine ganze Zeit verfolgt. Ausgewogen, rund, einfach wunderbar mit feinstem Oloroso-Sherry – wir schnalzen mit der Zunge und empfehlen uns. Kurz schauen wir nun bei den Kollegen von Signatory Vintage vorbei, wo wir uns eine „Friendship Bottling“ näher zu Gemüte führen – genauer gesagt einen Clynelish, der sage und schreibe 22 Jahre auf dem Buckel und satte 54,2% im Gepäck hat. Freundschaftlich ist an dieser Abfüllung, dass sie exklusiv für zwei Whisky-Läden entstand – genauer gesagt für das in unserer schönen Stadt gelegene Tara und das Brühler Whiskyhaus. Das lassen wir uns doch schmecken und hören dabei wir gespannt, dass es in Pitlochry (wo wir ja jüngst auf unserer Besuchsfahrt nach Schottland vor Ort weilten) einmal im Jahr die Chance gibt, alle gelagerten Fässer zu inspizieren, was für einen unabhängigen Abfüller natürlich eine goldene Gelegenheit bietet. Aus dieser „Local Dealer Selection“ schauen wir uns noch einen 12jährigen Deanston an, eine Sherry-Nachreifung aus dem first fill butt, die mit mächtigen 60,1% daherkommt und ohne Färbung oder Kühlfilterung kräftige Aromen von Datteln, Feigen, kandierten Früchten und – natürlich – dunkler Schokolade zaubert.

Auch eine eher knappe Stippvisite statten wir dann noch dem Stand von Mackmyra ab, wo sich Jens Fezer fast schon einem Belagerungszustand ausgesetzt sieht, so stark ist der Andrang auf die schwedischen Destillate – oder ist es vielleicht das sattsam bekannte Logo einer Band, die stets betonte, sie spiele Rock’n’Roll? Wir wissen es nicht und genießen daher einfach einen Rotspon Double Wood mit dem klingenden Namen Galeone: ausgebaut im Barrique-Fass und gesegnet mit 56,5%, kann uns auch dieser auf 442 Flaschen limitierte Schwede (alterslos und schätzungsweise 4-6 Jahre gereift) mit feinen Rotwein-Noten vollauf überzeugen. Schön! Nicht vorbeigehen können wir natürlich auch bei unseren guten Freunden von St. Kilian, die wir ebenfalls schon vor Ort aufsuchten und eine höchst spannende Variante unserer Vatertags-Tour erlebten. Marken- und Brennerei-Botschafter Pat Hock (auch als Youtuber aktiv und seit seinem klingenden Ex-Namen Whisky-Wixxer ein Szenebegriff) hat hier nämlich den neuesten Spirit of St. Kilian auf Lager – mittlerweile 22 Monate ruht der Brand und nähert sich somit in großen Schritten den obligatorischen drei Jahren, die ins Land ziehen müssen, bevor man den Geist endlich Whisky nennen darf. Als Batch No. 7 legen die Kollegen aus Rüdenau eine 2016/2017 gebrannte Reifung in Bourbon, Sherry und Virgin Oak vor, die mit 44% aufwartet und in exakt 4600 0,35l-Flaschen just seit heute erhältlich ist. Wir gestehen gerne zu, dass wir hier definitiv auf dem richtigen Wege sind, gerade auch weil St Kilian die Einzigen in Deutschland sind, die auf original schottische Potstills setzen, und notieren dabei Noten von Kokosnuss und Früchten.

Spätestens jetzt ist es aber an der Zeit, weiteren bestens bekannten Recken die Aufwartung zu machen: die Kollegen vom Whiskykeller sind natürlich wieder am Start und verwöhnen uns mit einer schönen Auswahl ihrer buntfarbigen Produktpalette. Michael Greber – wie immer mit stilechter Mütze auf – nimmt sich ausgiebig Zeit für uns und präsentiert uns in erster Linie Vertreter aus der „Lords“-Reihe, die wir schon verschiedentlich bestaunten. Wir starten allerdings mit einigen Exemplaren aus der Berry’s Classic Range: ein wunderbarer Blend verschiedener Sherry Cask Malts mit ausgewogenen 44,2% liefert dazu einen zauberhaften Auftakt. Auch die marriage verschiedener Islay Malts (wie die ganze Serie ebenso mit exakt 44,2% abgefüllt) begeistert uns mit angenehm dezentem Rauch. Jetzt aber endgültig zu den Lords of the Board: diese exklusiven, streng limitierten Abfüllungen haben immer wieder schöne Überraschungen auf Lager, so auch der Lord of Speyside in Form eines 10jährigen Speyburn, der uns mit mächtigen 53,6% und einem berückenden Rotweinfinish entzückt (und von dem es nur 138 Flaschen zu haben gibt). Wir wechseln dabei die Standseite, plaudern mit Michael über die Messe, die Szene und unsere Berichte, die im Hause Whiskykeller offenbar aufmerksam zur Kenntnis genommen werden, und verkosten auf einem kleinen Fass weiter, das wie stets die launige Aufschrift „Must try oifach ois!“ grüßt. Wir unternehmen in jedem Fall einen redlichen Versuch und nehmen nun den Herrscher der Speyside Glen Moray in Augenschein (eine von 289 Flaschen), der es auf 52,4% bringt und 10 Jahre im first fill Bourbon Fass ruhte. Frohgemut schreiten wir weiter zu einem Secret Speyside, bei dem uns ein Vögelchen zwitschert, dass wir doch eventuell vielleicht wir wissen es natürlich nicht genau einen Glenrothes vor uns haben könnten, der 12 Jahre first fill Sherry butt und vor allem 64,9% auf die Waage wirft. Ein feiner Tropfen, unserer Treu! Genauso begeistert zeigen wir uns bei einem 16jährigen Highland Park, der als höchst geheimer Secret Lord Of Orkney auftritt und dem guten Ruf dieser Brennerei mehr als gerecht wird. Nach einem Finale mit dem nicht weniger umwerfenden MacDuff 2002 aus der Berry’s Own Selection (15 Jahre, Sherry galore!), vielen Grüßen und einem Siegerfoto vom Zieleinlauf verabschieden wir uns für dieses Jahr – es war eindrucksvoll wie immer. Aber halt, da war doch noch etwas? Ganz genau: bei Bruichladdich warten ja noch Lisa und Gazala mit einem besonderen Leckerbissen auf uns. Den bekommen wir dann auch in Form des eingangs erwähnten Black Art – einen würdigeren Abschluss des ersten Tages als diese geheime Zusammenstellung bester Bruichladdich-Tropfen kann man sich kaum vorstellen. Wir empfehlen uns für heute und übergeben den Staffelstab an Team 2.

Der Samstag auf der Messe: Holzfassfinishes und andere Überraschungen

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Es ist Samstag! Tag zwei der Finest Spirits in München und während sich 50 Prozent der Kuehleszeug.de Redaktion mit der WhatsApp Nachricht “Ich glaube, ich schaffe das heute nicht noch mal” krank gemeldet haben, sind die restlichen 50 % noch unverbraucht und voller Vorfreude auf den Genuss, der da noch auf sie zukommen mag. Also, dann übernehmen wir mal den Staffelstab, entschuldigen uns schonmal, falls wir dieselben Stände abklappern, wie das Vortagesteam (dem ist in großen Teilen überraschenderweise nicht so) und stürzen uns in das Getümmel. Die Schlange vor dem Eingang ist angenehm  überschaubar und so sind wir um kurz nach halb drei - wie immer als erstes - vor dem Verkaufsstand der Masterclass-Tickets. Die Tastings des Herrn Laing und das der Scotch Malt Whisky Society mit einer Sammlung von Single Cask Abfüllungen sind natürlich schon weg, daher greifen wir heute zum Woodfinishing-Kurs mit diversen Balvenie-Exponaten, in dem wir tatsächlich noch was lernen durften aber dazu später mehr.

Nachdem die Pflicht getan ist, widmen wir uns nun der Kür und stehen unversehens vor dem fast unverschämt umfangreichen Angebot der Munich Spirits, an dem man als Whisky Fan halt definitiv nicht vorbeikommt, und suchen uns für den frühen Nachmittag erstmal - auch wenn der 25 jährige Caol Ila schon lockt -  was leichtes aus. Nach kurzer Beratung landen wir bei einem 17 jährigen Caperdonich (ein leichter, fruchtiger Trunk, dem man sein Alter nicht wirklich anmerkt) und einem 12 jährigem Springbank cask strength. Yes… now we are talking! So kann man den Tag hier beginnen; vollmundig, mit Zimt und Lakritze, dazu etwas Sherry und 56 Volumenprozent Alkohol, die überraschend sanft daherkommen.

Mit gefülltem Glas in der Hand verschaffen wir uns einen Überblick über die 120 Aussteller fassende Halle, wobei wir, man möge es uns verzeihen, Gin, Obstler, Rum und den Käsekuchenschnaps von Laumers (wirklich!!) erstmal links liegen lassen und halten erst wieder bei der Schlumberger Vertriebsgesellschaft an, wo wir neben dem taiwanesischen Kavalan eine sensationelle 12 Jährige Single Cask Abfüllung von Benromach finden. Auch hier wieder Fassstärke 59 %, aber der Whisky kommt so mild, karamellig und angenehm rauchig daher, dass man den Alkohol kaum wahrnimmt. Wo wir schon mal hier snd probieren wir auch gleich noch den Staoisha (wie auch immer man das ausspricht) aus der Bunnahabhain Destillerie. Mit fünf Jahren ist dieser recht jung und die 60% Alkohol kann man in diesem Fall schon deutlich besser erfühlen, dafür bekommen wir aber hier ein volles Raucharoma und eine anständige Prise Salz und Meeresluft geliefert.


Einen fast unmerklichen Sprung weiter stehen wir vor dem Stand der schwedischen Destillerie Mackmyra, deren Motörhead-Whisky hier auf unserer Postille ja schon des öfteren Erwähnung gefunden hat. Potzblitz - sie haben es wieder getan. Es gibt einen neuen Bandwhisky von Mackmyra zu Bestaunen und hier ist der Pate  - die Scorpions - genauso überraschend wie auch dessen Herstellungsprozess. Altersangabe hat der Trunk keine, aber nach der klassischen Ex-Bourbon-Reifung, gab es eine Nachreifung in Oloroso-Sherry-Fässern und jetzt haltet euch fest, in einem Fass, in dem einst süßer Kirschwein gealtert wurde!? Vom Geschmack her ist das Ganze dann mehr “Wind of Change” als “Rock you like a hurricane”, sanft, mild und süßlich und eigentlich erinnert das Sherry-Kirschwein-Finish stark an einen Dessertwein, was sicherlich nicht jedermanns Sache ist, aber aus unserer Sicht für einen Scorpions-Whisky doch sehr passend arrangiert wurde.

Und Schwupps - so schnell ist 17:00 und damit ist der Termin für unsere Masterclass gekommen. Wie eingangs erwähnt, geht es um das Thema “Woodfinishing” und der Referent ist kein geringerer als Campari-Markenbotschafter Helmut Knöpfle. Na denn mal los... Vor jedem Besucher stehen fünf Gläser sauber aufgereiht und wie ein Sausebraus marschiert Herr Knöpfle durch einen unfassbar großen Folienfundus. Während wir einen 10 jährigen Glen Grant und eine Rumfassreifung von Tullamore Dew  (Tullamore Dew XO) probieren, bekommen wir durchaus amüsant und süffisant erklärt, wie schwierig es ist Fässer herzustellen und wie diese sich dann auf den Geschmack auswirken. In Kurz: Je länger im Fass, desto mehr wirken sie sich aus. Während wir dann auf die angekündigten Balvenies umsteigen, lernen wir, und das war uns zumindest wirklich neu, dass es der Master Blender David Steward von Balvenie war, der die Nachreifung in einer zweiten Fasssorte  - quasi das Finishing - erfunden hat. Und dass die erste Flasche mit einem solchen Finish erst 1993 auf den Markt kam. Der durchaus leckere Balvenie Double Wood 12 mit seinem Oloroso-Sherryfinish zeugt, mit David Stewards Namenszug auf der Flasche, sozusagen heute noch davon. Ebenso tut dies auch der 21 jährige Balvenie Port Wood, der mit seiner schweren Frucht- und Honigsüße wahrlich protzt. Mit den Worten, dass man sich hier in München nicht lumpen lassen darf, zieht Mr. Knöpfle noch eine Flasche 25 jährigen Balvenie Single Cask Whisky aus dem virtuellen Whiskyregal und eröffnet uns, dass wir diesen in unserem letzten Glas finden. Und tatsächlich, diese durchdringende Eiche, ölig und mild ist ein Genuss, allerdings auch einer, der seinen Preis hat. Und damit ist die Vorstellung und die für dieses Tasting angesetzte Zeit schon wieder um. Auch wenn Helmut Knöpfle durchaus vermag Ruhe auszustrahlen, war das Programm für den Zeitslot dann doch etwas arg eng gepackt, so dass das konzentrierte Verfolgen des “Lerninhaltes” plus das eilige Verkosten des Lebenssaftes doch nur sehr schwer zu bewerkstelligen waren.

Jetzt brauchen wir aber erstmal eine Pause und da kommt uns der Hopfenlimonadestand von Hopster gerade recht. Leider müssen wir erfahren, dass Cheffe Jonas Seidl an einem (Männer)-Schnupfen oder so erkrankt ist und daher dieses Jahr nicht mit uns über Legenden des 80er-Glam-Rocks schwadronieren kann. Das tut dem Hopster aber keinen Abbruch, denn auch gestandene Spirituosenverkoster brauchen irgendwann mal was ohne Alkohol und da ist der Hopfentrank genau richtig. Angetrieben von diesem Frischeschock werden wir wieder experimentierfreudig und leben dies direkt am Stand von Paul John aus, die Single Malt und Cask Whisky in Indien in der Nähe von Goa produzieren. Kann das was sein? Lassen wir uns überraschen… und ja, tatsächlich, der Inder gibt sich erstaunlich schottisch, was für sich wieder fast ein bisschen enttäuschend ist, aber dafür bekommt man einen richtig guten Whisky, nach Belieben ohne, mit wenig oder mit viel Rauch ins Glas. Nicht schlecht, und wieder mal ein Zeichen dafür, dass man sich von Vorurteilen nicht zu sehr beeinflussen lassen sollte.

Das Unausweichliche haben wir uns heute wieder bis zum Schluß aufgehoben. Als wir vor dem Stand vom Whiskykeller ankommen, werden wir freudig in Empfang genommen und bewundern alle Neuigkeiten nochmal, denn Trupp eins war ja gestern schon hier. Auf die Frage, ob sich denn die Kühleszeug-Kollegen gestern benommen haben, bekommen wir ein überzeugtes “Auf keinen Fall” vom Standpersonal zu hören. Immerhin kann man sich auf die Kollegen verlassen… Egal, zurück zum Sujet des Tages und da wäre zum Beispiel vom Abfüller Berry Bros & Rudd ein 15jähriger McDuff zu nennen, der uns mit starken Schokoladen und Orangennoten noch einmal zurück in die Weihnachtszeit versetzt, oder der unter dem eigenen Label laufende Lord Of Speyside, eine Single Cask-Abfüllung aus einer Speyside-Destillerie, die leider nicht genannt werden darf. Dafür glänzt der kleine Lord mit seinen 12 Jahren  und 64% Alkohol allerdings mit einem Karamellvolumen, dass fast unbeschreiblich ist. Ein toller Whisky, der sofort den Weg in unsere Einkaufstasche findet. Dann hätten wir da noch den Lord of Orkney (und Detektiv Holgi hat es ja oben schon verraten … ein Highland Park); 16 Jahre hat dieser auf dem Buckel und 54% Alkohol. Hier kann man die Inselherkunft anhand der Rauchnote deutlich nachvollziehen, wobei in diesem Fall mit einer Sherryfass-Nachreifung, die dem rauhen Charakter entgegengewirkt noch ein sehr schöner Akzent gesetzt wurde. Als nächstes lassen wir uns die Wildlife Serie, eine Kollaboration des Whiskykellers mit einem befreundeten Connaisseur, der zufällig ein Hotel namens Forellenof betreibt, vorstellen. In dieser Serie sind wiederum ein paar ganz besondere edle Tropfen abgefüllt worden. “The Kite”, also eine Art Raubvogel ist die Abfüllung des Vorjahres, mit einem 12 jährigen Bruichladdich und einem schönen, sehr prägendem Sherryfinish. Dieses Jahr kommt mit dem “The Trout” eine Forelle zur Sammlung hinzu, ein Laphroaig mit Portfinish! Das ist so abgefahren, dass man es eigentlich selbst probieren muss. Die Kombination des medizinisch-kalten Laphroaigs mit der Portwein-Süße ist wahrlich besonders und lädt direkt zum ausgedehnten Philosophieren ein, gerade, da diese Abfüllung durchaus auch polarisieren dürfte.

Während hier zwei weitere Flaschen in unserer Einkaufstasche landen, ja, der Whiskykeller ist offensichtlich immer einen Besuch wert, entdecken wir gegenüber ein Gesicht, das uns schon den ganzen Tag irgendwie bekannt vorkommt. Jetzt fällt aber der Groschen. Pat Hock, ja genau, der von dem Youtube-Channel, hängt hinter dem Stand der St Kilians Distillerie herum. Hängen ist dabei das richtige Wort, denn der Kollege scheint eine lange Nacht hinter sich zu haben. Nichtsdestotrotz erklärt er uns bereitwillig, dass er nun bei der Distillerie eingestiegen ist, um sich da insbesondere um den jetzt bald fertig werdenden ersten Whisky, und natürlich auch die darauf folgenden, zu kümmern. Kurzer Einschub in eigener Sache, wir haben hier in unserer Postille mal den Rohbrand von St Kilians, der sich scheinbar ganz passabel verkauft, ausgiebig getestet. Lasst euch das nicht entgehen :-)  

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Heute können wir verschiedene Batches probieren, die jetzt so langsam auf die geforderten drei Jahre zugehen und auch schon in verschiedenen Wein- oder Sherryfässern nachgereift wurden. Und Potzblitz, da hat sich tatsächlich was getan, die grob 20 bis 27 Monate gelagerten Spirituosen haben schon jetzt ein überraschend volles Aroma abbekommen. Wir werden die weitere Reifung im Blick behalten, denn das dürfte sich lohnen, hier die älteren Abfüllungen, die es irgendwann einmal geben wird, zu kosten. Das haben wir uns noch zusichern lassen, es werden genug Fässer für 10 oder mehr Jahre liegen gelassen.   

So, nun wird es für uns aber Zeit. Die Finest Spirits war wieder eine Wundertüte voller Aromen, Geschmäcker, Impressionen und Geschichten. Geschafft, aber glücklich verlassen wir das MVG-Museum und machen uns auf den wohlverdienten Heimweg, betrachten dabei unsere Beute im mitgebrachten Stoffbeutel, philosophieren mit den Busnachbarn, trauern den unendlich vielen Whiskys hinterher, die wir nicht haben probieren können. Aber gleichzeitig freuen wir uns schon auf die Finest Spirits 2020...