Rauchige Kalmare, alte Schweden und heitere Keller: das war die Finest Spirits 2018

26-28.01.2018
MVG Museum München

Frank-Michael Böer schaut an der Schlange entlang, die sich am Samstag kurz vor Einlass weit bis vor das MVG-Museum zieht, und ruft uns enthusiasmiert zu: „Das ist ja der Wahnsinn! Ich liebe Euch alle!“ Das setzt genau den richtigen Ton für das Finest Spirits Festival 2018, an dem sich über drei Tage wieder illustre Vertreter der hochgeistigen Getränke ein Stelldichein gaben. Und wenn wir schon so nett begrüßt werden, sind wir umso lieber mittendrin.

Schon zum 13. Mal lud das Finest Spirits Whisky & Bar Festival in die altehrwürdigen Hallen des MVG-Museums, wo sich zwischen historischen Trambahnen und anderen Beförderungsmitteln (es gibt wohl Zielgruppen für alle Interessensgebiete, immer wieder bemerkenswert) die Brennerei-Szene in all ihren Ausprägungen präsentierte. Neben den allgegenwärtigen, eher trendigen Tropfen wie Gin oder Rum lag der Schwerpunkt wieder eindeutig auf Whisk(e)y, wobei man unter dem Motto „100 Faces Of Bourbon“ dieses Jahr den Fokus auf den amerikanischen Evergreen legte. Warum, das erklärte uns Frank-Michael ganz schlüssig: Bourbon hatte man noch nie als Thema, Bourbon ist ein absoluter Klassiker und ist vor allem in jedem Bar der Welt anzutreffen, weshalb nicht zuletzt die Mixer-Zunft z.B. an der Finest Spirits-Bar zu ihrem Recht kam. Die eine oder andere Single Malt-Destille versucht offenkundig ebenfalls auf den Cocktail-Zug aufzuspringen und präsentierte sich in erster Linie als Basis für Mischungen aller Art, so etwa Auchentoshan, die neben dem Three Wood (Oloroso und Ex-Bourbon-Fässer, 43%) den ebenfalls alterslosen Bartenders Malt (47%) im Gepäck hatte, den diverse Baristas (wie man Barkeeper wohl mittlerweile nennen muss) handverlesen haben. Ob das wirklich dem Geist eines Single Malt entspricht, lassen wir dahingestellt, wir schlendern doch lieber weiter bis hin zum Stand von Schlumberger Deutschland, wo bei Benromach ein gut gelaunter Andrea Caminneci (seines Zeichens Keeper of the Quaich und dem einen oder anderen sicherlich noch als selbständiger unabhängiger Abfüller bekannt) in sympathisch-kenntnisreicher Weise ein wenig aus dem Nähkästchen plaudert. Benromach genießt seit der Wiedereröffnung der Brennerei 1998 unter der Flagge von Gordon & MacPhail das Privileg, nicht auf Gewinnmaximierung getrimmt zu sein. Vielmehr darf man hier in aller Ruhe beste Qualität im „pre-60s-style“ herstellen, als Malts nahezu ausnahmslos leicht getorft daherkamen. Verwendet werden dabei nur first fill-Fässer, in denen man die im Vergleich doch überschaubare Jahresproduktion bestreitet, die fast vollständig ohne Automatisierung auskommt – echte Handarbeit eben, wie wir sie bei unserer letztjährigen Getränkereise etwa auch bei Springbank erleben durften. Hier und heute probieren wir sehr gerne die Cask Strength-Variante des 10jährigen, die trotz ihrer 57% - schön klassisch mit 100 Proof bezeichnet - mit einem äußerst milden Charakter aufwartet und uns bestens mundet. Mindestens genauso gut zu gefallen versteht der Peat Smoke, der es mit 9 Jahren auf 46% bringt und eine wunderbar ausgewogene Mischung aus Süße und eleganter Rauchigkeit versprüht, der man die doch beträchtlichen 67 ppm in keiner Weise anmerkt.

Nicht weit davon erspähen wir ein sattsam bekanntes Logo von einem, der auszog, Rock’n’Roll zu spielen: die von Snaggletooth gezierte Motörhead-Ausgabe ist auch dieses Jahr wieder einer der Publikumsmagneten bei den alten Schweden von Mackmyra. Dort empfängt uns Jens Fezer, mit dem wir letztes Jahr schon ausführlich zum Lemmy-Signature-Destillat plauschen konnten. Das geht mittlerweile in die siebte Auflage, wobei vor allem die Erstauflage Batch 1, die es seinerzeit ausschließlich in Schweden mit ganzen 900 Flaschen exklusiv zu haben gab, zum echten Sammlerstück avanciert ist. Nachdem wir diesen Tropfen schon mehrfach gewürdigt haben, wenden wir uns auf Empfehlung von Jens heute anderen Vertretern zu: der Skoretid – zu Deutsch Erntezeit - glänzt mit 46,1% und einer Reifung in Masi Costasera Amarone Weinfässern, die dem Brand eine wunderbar fruchtige Würze mit deutlichen Amarone-Noten verleihen. Daneben macht der Svensk Rök – American Oak (44,1%) dann einen etwas kräftigeren Antritt: nach einer eher sanften Nase mit torfigen Noten entfaltet der Kollege im Geschmack einen ausgesprochen rauchigen Charakter, in der sich Anklänge an Eiche und Wacholder verbinden und somit an die schwedische Tradition erinnern, Speisen mit Wacholderrauch haltbar zu machen. Natürlich hält Jens als krönenden Abschluss noch einen Geheimtipp für uns bereit: der von Jens als „der verrückteste Whisky, den er kennt“ vorgestellte Skog glänzt mit kräftigen 52,4% und einem Beerenweinfinish (wer‘s genau wissen möchte: Preisel- und Blaubeeren). Leicht erdig und komplex tritt er uns entgegen, mit intensiven, fruchtigen Noten – „aus den Tiefen der Wälder“, Skog eben, das können wir guten Gewissens bestätigen, abgerundet mit feinen Rauchnoten und einem langen Abgang. Schade nur, dass der Skog seit vier Jahren fast komplett ausverkauft und nur schwer zu haben ist – wer eine Flasche erspäht, sollte also frohgemut zuschlagen! Ebenfalls wunderbar zu gefallen weiß der Solsken, der durch seine goldene Farbe ebenso überzeugt wie einen angenehm rauchigen Geschmack, in dem Noten von Eiche, Trockenfrüchten (hier macht sich die Sherry-Nachreifung bemerkbar) und Buttergebäck mitschwingen. Wunderbar!  

Weil unser Besuch bei den progressiven hebridischen Destillateuren von Bruichladdich zu den Highlights unserer Islay-Reise zählte, machen wir natürlich auch diesem Hause unsere Aufwartung. Zuerst probieren wir hier die klassische Ausgabe in den Varianten Laddie 10 und Laddie 16, die uns mit jeweils 46% mit der milden, komplexen, fruchtigen Süße dieser nicht getorften Vertreter wie immer überzeugen. Natürlich schenken wir aber auch den zurecht berühmten Octomores gebührende Aufmerksamkeit, die landläufig als „heaviest peated whisky in the world“ firmieren und immer wieder zu Begeisterungsstürmen führen. Heute führen uns zuerst den Octomore Masterclass_08.3 zu Gemüte, der es auf fünf Jahre und 61,2% bringt. Trotz der sage und schreibe 309 ppm entwickelt auch dieser Oktopus eine unglaubliche Süße und Fruchtigkeit, die für diese Serie kennzeichnend ist. Immer wieder umwerfend! Etwas würziger und rescher gibt sich dagegen der Octomore Virgin Oak_07.4, der mit ebenso 61,2% zwar „nur“ 167 ppm, dafür aber sieben Jahre sowie eine Nachreifung in ex-Bourbon-Fässern mitbringt, die sich in einem eher trockenen, aber nicht weniger ausgewogenen Charakter äußert. Wir stellen fest: die Octos mögen sicherlich preislich in der Oberliga kicken, aber dieser in jeder Hinsicht besondere Tropfen darf das mit Fug und Recht auch für sich reklamieren.

Jetzt legen wir einen kurzen Abstecher bei Balvenie ein, der Glenfiddich-Schwester-Brennerei, wo wir uns zwei Köstlichkeiten schmecken lassen. Der 12jährige Single Barrel First Fill (47,8%) gefällt uns dabei durch besonders schöne Vanille- und Eichennoten, in die sich eine feine Honigsüße vermengt. Master Distiller David Stewart, der die Fässer für diese Edition (die pro Abfüllung auf maximal 300 Flaschen kommt) jeweils handverlesen aussucht, versteht sein Handwerk eben. Das gilt umso mehr für den 25jährigen Kollegen: der Single Barrel Traditional Oak (47,8%) verbrachte ein stolzes Vierteljahrhundert in jeweils einem einzigen refill-Fass (ebenfalls maximal 300 Flaschen pro Abfüllung), was diesem Vertreter einen zutiefst runden und vollen Charakter beschert, in dem sich Süße und Würze bestens verbinden. Zauberhaft!  



Nun aber flugs aufgemacht zu einem besonderen Highlight: auch in diesem Jahr winken wieder verschiedene Master Classes mit fachkundiger Verkostung einiger ausgesuchter, oft schwerlich zu ergatternder Tropfen. Wir entscheiden uns für die Douglas Laing-Ausgabe, bei der wir fünf Drams des unabhängigen Abfüllers genauer unter die Lupe nehmen. Arrangiert wird das Ganze heute vom Bremer Spirituosen Kontor, dem deutschen Importeuer für die Laing-Fabrikate – aber durchs Programm führt ein waschechter Schotte, der standesgemäß in Kilt und Bart launig auftritt (und dem das im Gegensatz zu den zahlreichen deutschen Vertretern, die sich an vermeintlich schottischer Kluft versuchen und dabei regelmäßig scheitern, auch zusteht). Jan, so der durchaus ungewöhnliche Name des Herrn, berichtet zuerst von diversen Eskapaden auf der Haar- und Bart-Seite (für eine Spendenaktion ließ er sich komplett kahl scheren, was mit Bildbelegen zu den ersten größeren Lachern führt), kommt dann aber dankenswerterweise flugs zur Sache: anstelle einer endlosen Vorrede verteilt er die Informationen lieber zwischen den Drams, was deutlich zielführender und entspannter ist. Wir starten mit dem spaßig betitelten Timorous Beastie, einen 10jährigen blended highland malt aus der „remarkable regional malts“-Serie aus dem Hause Laing, zu der auch der Big Peat gehört. In der Nase frisch und süß, so stellt er sich vor, mit 46,8% in Bourbonfässern gelagert, und – wie alle Douglas Laing-Ausgaben – nicht gefärbt und nicht kühl gefiltert. Jan zeigt uns, wie man mit der flachen Hand das Glas abdeckt und per Schütteln die ganzen Aromen entfalten kann – das machen wir natürlich glatt, und es funktioniert auch wunderbar.

Der Blend, in den Anteile von Ben Nevis, Glengoyne, Blair Athol und Glen Garioch wandern, ist ein zwar ordentlicher, wenn auch nicht spektakulärer Auftakt. Weiter geht es mit einem Speyside-Vertreter: der 10jährige Provenance Glentauchers wandert größtenteils in Blends, hier und heute können wir eine der wenigen Single Malt-Abfüllungen bewundern, die aus einem einzelnen refill hogshead stammt, dem man 441 Flaschen entlockte. Mit 46% entwickelt der Taucher karamellige Noten, die im Geschmack sehr würzig an Weihnachtsgebäck erinnern.

Während Jan über Produktion, Lagerung und Fässer referiert (z.B. wie man ausgelaugte Barrels per toasting wieder belebt), schreiten wir weiter zu einem 20jährigen Glengoyne aus der „Old Particular“-Reihe. Auch hier haben wir es mit einer Abfüllung aus einem einzelnen Fass zu tun, die mit 237 Flaschen noch begrenzter exklusiv nur in Deutschland zu haben ist. Aufgrund der langen Lagerung liegt der Alkoholgehalt nur noch bei 45% - cask strength, wohlgemerkt. Ob man hier wohl einem Unterschreiten der magischen 40%-Grenze zuvorkommen wollte, unter der das Destillat nicht mehr als Whisky hätte vermarktet werden dürfen? Ein Schelm, der dieses dabei denkt! Wie immer bei Glengoyne notieren wir sehr fruchtige Noten wie von grünen Äpfeln, um die sich angenehm ein wenig Rauch legt. Mit Ardmore kommt dann eine unserer Lieblingsbrennereien an die Reihe, die man ja gerne als den „peaty Speysider“ bezeichnet.

Die heute in Rede stehende 21jährige Single Cask-Abfüllung aus einem refill hogshead macht nicht nur in der Masterclass das Rennen, sondern gehört neben den Octomores zu den Glanzlichtern des gesamten Events. Limitiert auf 310 Flaschen, wartet der Ardmore in Cask Strength mit 52% auf und punktet schon in der Nase mit weichem Rauch, Vanille und Orange. Auf der Zunge brilliert der Kollege mit sanften Honig-Anklängen, angenehmen Toffee-Elementen und Würzigkeit, die aus dem refill-Fass herrührt. Ganz klar einer der besten Tropfen, die wir heute probieren dürfen. Der abschließende Big Peat tut sich trotz stolzer 25 Jahre dagegen ein wenig schwer: der Islay-Blend, in dem sich dem Vernehmen nach auch Anteile der seligen Port Ellen-Brennerei finden, wirkt bei identischen 52,1% gegen den Ardmore fast ruppig, der Geschmack ist typisch Islay: reichhaltig, fruchtig und ölig. Am Testsieger kann das allerdings nicht mehr rütteln. Jan informiert uns noch, dass Douglas Laing für 2019 eine eigene Brennerei im Herzen von Glasgow plant, wobei man ein kleines Detail geflissentlich unter die Theke fallen lässt: auf Islay entsteht bekanntlich mit Ardnahoe eine neue Brennerei ebenfalls unter der Ägide der Laing-Dynastie – allerdings von Stewart Laing, der 2013 den Familienbetrieb mitsamt seinem Bruder Fred verließ und Hunter Laing gründete. Na sowas aber auch…

Die Finest Spirits darf natürlich nicht ohne einen ausführlichen Besuch bei unseren Freunden vom Whiskykeller enden, bei denen wir letztes Jahr schon einen fulminanten Beschluss des Events begingen. Auch wenn wir dem hier ausgestellten, launigen Motto „Must try oifach ois!“ nicht ganz gerecht werden, halten Keeper of the Quaich Andreas Hailer und seine Standbesatzung zahlreiche wunderbare Köstlichkeiten für uns bereit: die Lords-Selection, die schon Vorkoster Sebbo in Verzückung versetzte, tritt uns auch heute wieder entgegen. Die Islay-Inkarnation mit einem 10jährigen Bruichladdich müssen wir natürlich testen und notieren hoch erfreut schön ausgewogene Vanilletöne mit ganz leichten Rauchanklängen, die durch die 55,1% Cask Strength bestens inszeniert werden.

Auch die „Secret Orkney“-Ausgabe der Lords finden wir trefflich: dieses bei Kirkwall entstandene Destillat (welche Brennerei das wohl sein kann…wir tippen mal ganz ungestützt auf Highland Park) bringt 15 Jahre, 57,1% Stärke und eine Nachreifung im Sherry-Fass mit auf die Waage. Im Ergebnis konstatieren wir die Brennerei-typischen Rauchnoten, die hier von Aromen von Trockenfrüchten, Pfirsichen und Schokolade umspielt sind. Definitiv mehr als einen Blick wert sind auch die Wildlife-Abfüllungen, die wir uns gerne gefallen lassen: hinter dem Lynx verbirgt sich ein auf 300 Flaschen limitierter 8jähriger Miltonduff, der in einem first fill Oloroso Sherry-Fass reifen durfte und uns mit der ganzen Wucht seiner 63% anspringt. Mit dem Kite haben wir es dann gleich nochmals mit Bruichladdich zu tun, genauer gesagt ebenfalls einer Single Cask-Abfüllung aus einem first fill Sherry-Fass, die es auf 200 Flaschen brachte und mit 54,7% zwar etwas weniger gehaltvoll, aber definitiv nicht weniger wohlschmeckend daherkommt. Somit erneut eine rundum gelungene Visite bei den sympathischen, versierten und vor allem gut sortierten Kollegen aus Bruschied.

Der Tag neigt sich nun langsam dem Ende zu, wir wandern noch ein wenig umher, bestaunen seltsame Gestalten in schicker Kleidung und geschniegelten Bärten, probieren noch ein paar gefeierte Raritäten wie den Kavalan und auch den 12jährigen Yamazaki, die uns beide nicht vom Hocker hauen, und lenken die Schritte dann endgültig Richtung Heimat. Nächstes Jahr sind wir natürlich gerne wieder mit dabei – aber vorher lockt natürlich noch die Braukunst live…