Wir feiern Bergfest: das Q3 in Technicolor
/Wenn draußen der güldene Herbst anbricht, scheint eine gemütliche Testreihe nahezu alternativlos. Daher versammelten wir uns in der gewohnt beschaulichen Runde und verdingten uns dieses Mal sogar als Gipfelstürmer. Auf geht’s mit Cerealien und Zesten!
Der Wanderpokal landete - nach der inoffiziellen Ansetzung im Rahmen einer Jubelfeier, an die allgemein keine klare Erinnerung mehr besteht (und die mithin offenkundig furios ausfiel) – wieder einmal in der Heimat, wo wir uns pünktlich um 19 Uhr einfinden und die möglichen Testkandidaten bestaunen. Nach kurzer aber hitziger Diskussion beginnen wir den Reigen mit einem schmackigen Bruichladdich Rocks, der längst vergriffen und nur noch antiquarisch zu haben ist (auf den einschlägigen Elektro-Buchten handelt man ein Exemplar wohl für fast 140 Euro, was in echtem Geld immerhin fast 300 DM wären). Der alterslose Geselle in bunter Röhre tritt uns mit viel Charakter entgegen, sehr harmonisch entströmt hier der Geruch voller Früchte, Trauben und Äpfeln. Anders als bei manch anderen Wein-Finishes stimmt hier auch das Geschmackserlebnis mit Eichen- und Malzaromen, was wir gerne notieren, während wir erkunden, dass die namensgebenden Rocks die Rhinns sind – eine Gesteinsformation auf Islay, durch die das hier verwendete Wasser strömt. Wir glauben das mal als moderne Folklore und freuen uns einstweilen am schönen, warmen Abgang, durch den die französischen Grenache-Fässer (wissen wir nicht, muss man nicht wissen, wir schauen nach, das ist eine Rotwein-Sorte, aha, danke) bei angenehmen 46% durchschimmern. Fein!
Frohen Mutes schreiten wir weiter zum Glenallachie 12, bei dem wir uns beim Studium der Nasenwerte – wunderbarer Butterkeks, Rosinen und ein Hauch von schwarzem Kaffee strömen uns da entgegen – auch kurz über die bewegte Historie unterhalten, die wir bei der letzten Getränkereise auch live vor Ort erlebten. Cheffe Billy Walker nannte nämlich bis vor kurzem das Dreigestirn Glendronach, Glenglassaugh und Benriach sein eigen, bevor er sich aufgrund musikalischer Differenzen mit den Miteignern entzweite und, wie man das in dem Falle so tut, einer anderweitigen Brennerei zuwandte und jetzt eben bei Glenallachie aktiv ist. Vor 12 Jahren, als das heute in Rede stehende Exemplar abgefüllt wurde, war davon natürlich noch keine Rede, und auch der süße Geschmack nach Honig und Marzipan erstrahlt von den Querelen unberührt. Die Kombination aus Olorrrossso und Peter Siemens-Sherry-Fässern (jaja, PX, ist ja schon gut) verleiht dem Kollegen eine frische Fruchtigkeit, die von einer wunderbaren Mokka-Note abgerundet wird. Gesegnet mit einem fairen Preis-/Leistungsverhältnis empfiehlt sich der Glenallachie definitiv für künftige Experimente.
Mit großen Schritten nähern wir uns nun schon dem beliebten Überraschungsei namens Blindverkostung, und hier liegen wir gleich mal gewaltig daneben. Vielleicht liegt es an den zwischenzeitlich genossenen Wurstwaren nebst ausgehobenem Brot, aber auf die erste Nase können wir mit dem Herrn erst einmal gar nichts anfangen. Schon macht sogar das böse Wort von einem deutschen Produkt die Runde, aber so schlimm kommt es dann doch nicht. Mit ein wenig Zeit erwärmen wir uns dann doch für die Probe und notieren gerne ein weiches, fruchtiges Aroma, das im Geschmack in süße Noten und Melonen und Birnen übergeht. Der Gastgeber erbarmt sich schließlich und enthüllt einen Tormore, der mit 16 Jahren und 48% sehr ausgewogen daherkommt. Die Sherry-Reifung lassen wir uns bei diesem eher selten anzutreffenden Kollegen aus der Speyside in Form eines eher trockenen Charakters doch gerne gefallen und halten eine positive Grundstimmung fest.
Und gleich weiter im Text mit dem Blinde-Kuh-Spiel, und auch hier sind wir wieder weitgehend chancenlos. Generell sei der nun vor uns stehende Brand schon bekannt, allerdings fehle eine sonst typische Eigenschaft, so die durchaus kryptischen Hinweise des Gastgebers. Wir verdingen uns für kurze Zeit als Raterunde und notieren ein mildes Aroma mit Äpfeln und Orangen-Anklängen, hinter dem allerdings offenbar mächtig viel Gehalt steckt. Auch im Geschmack setzt sich dieser Eindruck fort: ein wenig Süße weicht alsbald einem gewaltigen Wums mit Honig, Lakritz und Salz. Wir sind einigermaßen ratlos und daher dankbar für die Auflösung: mit einem Caol Ila haben wir es hier zu tun, und in der Tat fehlt etwas sonst Elementares: dieser 15jährige ist nämlich komplett ungetorft und somit für seine Heimat an der Küste von Islay durchaus untypisch. Auch bei der Stärke lagen wir nicht daneben: die wuchtigen 59,1% vertragen durchaus ein Tröpfchen Wasser, mit dem die Cerealien (ein Wort, das sonst nur in der Müsli-Werbung Verwendung findet) und die Orangenzesten (gleich noch eins, das sind schnöde Schalen und kommt sonst nur bei Cocktail-Mixern vor – ich füge gerne noch den ominösen Sprengel dazu, den Einzugsbereich, den man nur als Erziehungsberechtigter von schulpflichtigen Kindern kennt) noch besser zur Geltung kommen. Wir machen uns mit einer Portion Cerealien auf in den Zestensprengel und sind durchaus zufrieden.
Und nun heißt es unweigerlich: der Berg ruft, denn gleich drei Vertreter jener Brennerei auf Islay stehen nun zur Wahl, die stets zu durchaus kontroversen Einschätzungen führt. Das geht schon damit los, dass der Name auf jeder Flasche falsch geschrieben erscheint, aber unsere Versuche, darauf hinzuweisen, haben wir mittlerweile aufgegeben. Vor Ort gestaltete sich das Tasting dank unserer guten Fee Wee Emma denkwürdig, aber ansonsten finden wir den Ardberg oft auch einmal nicht so einfach, zumal hier die Marketing-Abteilung gerne auch phantasievoll zuschlägt. Heute schauen wir uns den alterslosen Corryvreckan an, der mit süßem Rauch durchaus angenehm überrascht und auf der Zunge mächtig mit Pfeffer und Espresso-Anklängen (wobei auch hier die Rechtschreibung zu wünschen übrig lässt, Kenner wissen es heißt Expresso, weil er halt schnell getrunken ist). Mit über 57% macht der Kollege auch stärkemäßig jede Menge her und hält sich lange mit Rauch und Pfeffer auf dem Gaumen. Wir schreiten weiter zum Ardberg Uigeadail, dessen muntere Bezeichnung zu allerlei Verballhornungen Anlass gibt und der ebenfalls ohne Alter, dafür aber mit 54,2% daherkommt. Hier werden wir vom Rauch geradewegs überfallen, wobei Tabak und Vanille mitschwingen, was sich geschmacklich in einem Hauch Öligkeit niederschlägt, worüber allerdings stets der Rauch regiert. Mit einem langen Abgang gesegnet, liefert diese Variante das typische Ardberg-Flair, das man eben mögen muss. Dagegen fällt dann der 10 Jahre Standard etwas ab, der - gegen seine alterslosen Kollegen im übrigen überraschend hell - mit 46% in erster Linie vom Rauch lebt und Süße mit Räucherspeck-Aromen kombiniert.
Wir gehen nun die Phase des freien Spiels über, was nach dieser Wanderrunde auch durchaus nötig ist, und erfreuen uns wie üblich an einem Best Of, wo wir unter anderem auch den Caol Ila nochmals gegen seine rauchigen Brüder verproben und vergeblich versuchen, die Herkunft des Hemdes eines Mitstreiters zu erkunden, das offenkundig aus der Tom Mix-Kollektion stammt. So klingt auch diese Versuchsreihe nach mehrfacher Abbruchgefahr wieder wohlig aus, mit vielen neuen Erkenntnissen nicht zuletzt aus der sprachlichen Ecke. Wir werden dies wiederholen.