Kauf Dir einen bunten Luftballon: Delain spielen Fußball im Backstage

28.11.2019
Backstage München

Nach der EP „Hunter’s Moon“ bereisen die hoilländischen Bombastmetaller um Charlotte Wessels wieder einmal die Welt, um auf das bevorstehende neue Album hinzuweisen. Bei so einem Gathering sagen wir: danke schön!

Knall, da zerplatzt der rote Ballon an einer der zahlreichen Lampen an der Decke des wieder mal pottheißen Backstage. Ja, auch Delain sind aufs Bällebad aufgesprungen, das wir ja schon unter anderem bei Metallica und Volbeat erlebten. Hier amüsiert man sich köstlich, Gitarrero Timo kickt ein Exemplar wieder zurück ins Publikum, Charlotte wird am Kopf getroffen und stellt fest: „This is really dangerous!“ In der Tat.

Vorher aber galt es noch andere Attraktionen zu bestaunen: die wilden Russen von Arkona eröffneten nämlich den Abend. Die Pagan Metaller um Frontfrau Maria („Mascha“) ‚Scream‘ Archipowa agieren wie gewohnt in feschem Fellbezug (hoffentlich Kunstfell, nicht dass wir da Ärger bekommen) und allerlei Schädelgetier auf der Bühne. Obwohl ich die Setlist fotografisch festhalte, tut man sich mit den Songtiteln ein wenig schwer, immerhin ist das alles in bestem Russisch. Stimmungstechnisch geht in jedem Fall einiges, die wüste Mischung aus Folk, heftigen Riffs und Frau Archipowas Gesang, der zwischen cleanen Parts und Grunzattacken changiert, bringt schon mal ordentlich Schwung in die Bude. Nach einer doch ordentlichen Spielzeit von einer Stunde ist dann wieder Schicht im Schacht.

Jetzt aber flugs umgebaut, das emsige Treiben geht durchaus effizient von statten, so dass es alsbald losgeht. Mit „Invidia“ und „April Rain“ steigen unsere zweitliebsten Hollandbombasthersteller (jaja, Within Temptation gibt’s halt auch noch) gleich mit zwei Songs der zweiten Scheibe von 2009, die ordentlich für Furore sorgen. Der Sound knallt auch ohne die liebliche Merel Bechtold, die die Gitarrendienste ja im Juni zumindest im Hause Delain an den Nagel hängte, mehr als ordentlich – der gute Timo Somers (wie stets in spaßigen viel zu großen Turnschuhen) macht das schon. Zeremonienmeister Martijn Westerholt thront wie gewohnt rechts oben, flankiert vom Jungspund Joey de Boer (in fescher roter Krawatte, sehr elegant der Herr), aber alle Augen sind natürlich auf Yogameisterin Charlotte. Aus dem Kleiderschrank hat sie heute eine durchaus kurze Hose gezogen, die in Kombination mit schwarzer Strumpfhose und schicker Joppe einen Look kreiert, als ob die wunderhafte Zauberin Zatanna mal schnell aus der Gerechtigkeitsliga der 70er Jahre herüberschauen wollte. Weiter im Text mit einem krachigen „Glory and the Scum“, zu dem es dann die erste fulminante Haar-Rotor-Attacke setzt. Jawoll! Jetzt muss ich wieder aus dem Fotograben springen (Startechniker Sebbo musste leider das Bett hüten, wir wünschen gute Rekonvaleszenz und bitten wie früher in der Tagesschau die schlechte Bild- und Tonqualität zu entschuldigen) und komme gerade noch rechtzeitig zum „Suckerpunch“ am gewohnten Standplatz an, das einen ganz massiven Hüpfalarm auslöst.

Jetzt begrüßt uns die Dame im charmanten holländisch gefärbten Englisch und kündigt den ersten Song vom neuen Album an, das uns im Februar 2020 ins Haus steht und auf den launigen Titel „Apocalypse and Chill“ hören soll: „Burning Bridges“ ist ein schneller, ruppiger Rocker, bei dem vor allem Timo sein ganzes Arsenal auspacken kann. Sehr schön dann in Folge das etwas ruhigere „The Hurricane“, das als mid tempo-Elegie eine wunderbare Wirkung entfaltet. Das auf Konserve leicht sperrige „Masters of Destiny“ von der „Hunter’s Moon“-EP reißt live ordentlich was: geruhsamer Einstieg, dann die ganz große orchestrale Geste, die bei ihnen ja eigentlich nicht ganz so oft vorkommt. Das bislang unveröffentlichte „Electricity“ geht ebenfalls gut ins Ohr, gefolgt vom schnellen Abriss „Let’s Dance“ – offenbar kann man sich auf der kommenden apokalyptischen Scheibe auf mehr Rock und weniger Bedächtigkeit freuen. Auftragsgemäß singen wir mit – „this is not difficult, just sing “dance””, bittet die Dame uns, was wir doch gerne tun. Gleich nochmal ins neue Material greift man dann mit „One Second“, das auch massiv nach vorne geht und eins der Highlights des Abends markiert. Auch in der Nachschau in den einschlägigen online-Du-Röhren-Magazinen gefällt der Song ganz eminent – auf die Apokalypse freuen wir uns dann schon mal. Nach einer ausgedehnten Soloeinlage von Timo und Herrn de Boer, in der sich Charlotte doch hoffentlich einen Port Charlotte genehmigt (den sie ja im Tourbus dabeihatte, als wir uns zum Plausch mit ihr und Martijn dort einfanden) geht es in den Zugabenteil über, der mit „Hands Of Gold“ gleich einen fetten Einstieg erwischt und am Ende in einen wunderbaren Lametta-Regen übergeht – Opa Hoppenstedt hätte sich gefreut! Beim markanten „Not Enough“ geht der Hüpfalarm wieder durchs ganze Haus, und Charlotte parliert amüsant über die Backstage-typische Tropenhitze: „One thing is sure – we will all be smelling at the end!“ Naja, bei einigen muss man dafür nicht bis zum Ende warten, aber das ist ein anderes Thema. Weiter im Text mit „Don’t Let Go“, bei dem das eingangs erwähnte muntere Fußballspielchen einsetzt, worauf sich beim zauberhaften „The Gathering“ auch der letzte Griesgram zum fröhlichen Mittun animiert sieht. Nochmal aufs Gas treten sie dann mit „Fire With Fire“, bis dann endlich das unverzichtbare „We Are The Others“ den Abend beschließt und Charlotte feststellen kann, dass man einmal mehr wunderbare Erinnerungen an München mitnehmen wird. Wir auch. Auch wenn einige Knaller wie „Your Body Is A Battleground“, „Stardust” oder “Here Come The Vultures” fehlten, sind wir dennoch rundum begeistert und mehr als gespannt auf den Februar, wenn die Apocalypse zur Entspannung lädt.