Ein Vergnügungspark im Dunkeln: D-A-D führen ihre Sportgeräte vor
/10.12.2019 Backstage München
Mit Hymnen wie „Sleeping My Day Away“ oder „Rim Of Hell” lieferten sie Anfang der 90er Futter für die Pilger des straighten, melodischen Rocks. Und wenn die Kollegen aus Dänemark in unserer hübschen Stadt vorbeischauen, dürfen wir natürlich nicht fehlen!
Da steht er also oben, der gute Stig Pedersen, mit einem Bass, der aussieht wie eine der Modellraketen, die wir ja immer gerne gehabt hätten, aber aus Sicherheitsgründen nie basteln durften (war auch besser so), und informiert uns, dass Disneyland schon geschlossen habe, dass aber jetzt eiskaltes Bier ausgeschenkt würde und niemand anders als Wally himself der Gastgeber sei. Mit diesem fast schon besinnlichen, bandtitelgebenden Stück vom Erstling „Call Of The Wild“ von 1986 setzen die Dänen den Schlusspunkt unter einen furiosen Abend, an dem die stilistische Bandbreite der Kollegen von den punkig-country-haften Anfängen ebenso deutlich wird wie die Tatsache, dass man einen großen Kleiderschrank dabeihat. Aber wir fangen mal vorne an. Ich selbst wäre wohl kaum auf den Gedanken verfallen, die wilde Bande, bestehend aus den Brüdern Jesper und Jacob Binzer sowie den eingangs erwähnten Instrumentenkonstrukteur Pedersen, zu besuchen, aber ein Geburtstagsgeschenk schlägt man natürlich nicht aus, auch wenn der Jubeltag schon einige Wochen zurückliegt. Und weil unser etatmäßiger Fotoschwinger auch nicht unbedingt auf dieser Baustelle tätig ist, verdingte sich flugs der Einladende als Dieter Hildebrandt des Metal und tauchte wie weiland Herbie Fried gekonnt vor der Bühne umher.
Erst einmal aber gilt es Hangarvain zu bestaunen, die pünktlich die Bühne entern und einen ordentlich erdigen, bluesigen Hard Rock kredenzen. Sergio Toledo Mosca und Alessandro Liccardo aus Neapel fabrizieren einen sehr aufgeräumten Besuch, bei dem immer wieder die übermächtigen Black Stone Cherry als Einfluss aufblitzen. Fronter Sergio agiert dabei in Bart und Hut wie eine Kreuzung aus Drafi Deutscher und Demis Roussos (der mit dem Baaaaaterfly) und schwingt den beleuchteten Mikroständer durchaus behende. Mit einem krachigen „Black Betty“-Cover setzen sie dann noch ein Ausrufezeichen, dann ist die Chose wieder vorüber. Schon deutlich schlechtere Vorgruppen erlebt, so viel steht fest.
Nach kurzer Umbaupause ist unmissverständlich, was heute geboten wird: als Backdrop dient der Kuhschädel, der schon immer das Markenzeichen der Herren war und auch optisch auf die countrylastigen Anfänge verweist. Die stehen heute aber im Hintergrund, denn mit „Burning Star“ steigen D-A-D (wahlweise auch D.A.D., DAD, Dad oder sonstige Variationen) gleich mit dem Opener des aktuellen Albums „A Prayer For The Loud“ ein, der stilistisch mit schnörkellosen Riffs und eingängigem Aufbau in die Ecke geht, die die angereisten Schlachtenbummler erwarten. Nach immerhin 8jähriger Abstinenz läuft die Sache nach wie vor rund, auch wenn optisch doch einiges zu vermelden ist: Frontmann Jesper Binzer hat sich offenbar bei Axl Rose ein Tom-Mix-Joppe ausgeliehen (mit mindestens ebensovielen Fransen vornedran), und auch Bassbaumeister Pedersen scheint guten Kontakt zum Gunners-Cheffe zu pflegen – zumindest was die kosmetischen Behandlungen anbelangt, die in die gleiche Richtung laufen. Aber jünger werden wir alle nicht, deshalb erfreuen wir uns lieber am folgenden „Evil Twin“ (von der 2000er-Scheibe „Everything Glows“), das ebenfalls wunderbar zündet. Der gute Jesper krächzt was das Zeug hält, kommt aber immer noch respektabel in die Höhe, und im Gegensatz zu den grungigen Frisuruntaten der 90er wirkt Brüderchen Jacob mit Zylinderhut sehr seriös. Vor allem wird die musikalische Qualität deutlich, die man den oft auf ein Spaßimage festgenagelten Dänen bisweilen nicht ansieht: ordentliches Riffing und beeindruckende solistische Einlagen sind durchaus am Start, so wie wir das kennen. Herr Pedersen führt im Verlauf des Abends diverseste Bass-Modelle vor, von der Leuchtkerze über Kriegsdevotionalien (inkl. einem kleinen Roter-Baron-Modell!) bis hin zur besagten Rakete und zupft dabei wie gewohnt ausschließlich die E- und A-Saite. Reicht ja auch. Vortänzer Jesper verdingt sich nun im mittlerweile ja fast schon obligatorischen Deutsch: „Einmal mehr jetzt Hände klatschen!“, fordert er uns bei „Jihad“ auf, bevor dann beim krachigen „Rim Of Hell“ (hier wird der rote Dreidecker ausgepackt) dann weitere Instruktionen folgen: welcher Wochentag denn heute sei, will er wissen. „Es ist Freitag! Sie sind alle Freitag-Leute!“, informiert uns Jesper über seine etwas eigenwillige Zählung des Dienstag Abends. Lustig ist es aber allemal, und im Verlaufe des Abends avanciert die Abfrage des Tages zum running gag, bis wir alle felsenfest überzeugt sind, dass wirklich Freitag ist. „Nothing Ever Changes“, „Everything Glows“ und das Titelstück des neuen Albums „A Prayer for the Loud“ gehören gehörig gut nach vorne, und wir lassen uns gerne auffordern “jetzt wieder Freitag machen!“. „Grow Or Pay“ läuft ausgedehnt mit einem wunderbaren Gitarrenoutro wunderbar rein, bevor das schöne „The Sky Is Made Of Blues“ diesen Part abschließt. Nun wendet sich ein etwas verstrahlt wirkender Basser an uns und kündigt einige Songs aus den „bad old times“ an, die er dann auch selbst singt: „Jackie O‘“ und „Riding With Sue“ (wir denken an den netten Johnny Cash-Titel über den Jungen, den der Vater Sue nannte) schlagen in die country-punkige Kerbe, mit denen die Dänen Anfang der 80er erste Gehversuche unternahmen – gekrönt von einer mächtigen „Ghost Riders in the Sky“-Einlage von Hutmacher Jacob. Spätestens ab jetzt ist dann kollektiver Mitsingalarm ausgerufen: „Monster Philosophy“, „No Doubt About It“ und vor allem „I Want What She’s Got“ versetzen die Meute in einen Rausch, während ich erstaunt feststelle, dass Herr Pedersen aussieht wie eine Mischung aus Eric Idle und Michael Caine. Jetzt aber flugs schon zum Zugabenblock: bei „Bad Craziness“ geht der Raktenbass an den Start, „Sleeping My Day Away“ wird standesgemäß als größter Hit der Kombo abgefeiert, und mit zwei akustischen Gitarren schwingt sich „Laugh ‘n‘ a ½“ zu musikalischen Hochlicht. „Danke! Sie waren ein sehr perfekt Publik!“, lobt uns Freitagsfetischist Jesper einmal mehr und erklärt uns, wie die Dynamik einer Rockshow funktioniert: ein bisschen Comedy zwischendrin muss sein. Recht hat er. Die titelgebende Bandhymne „It’s After Dark“ fungiert dann eher ruhig als wunderbarer Rausschmeißer, zu dem wir dann gerne in die gar nicht so kalte Dezemberluft des Dienstags, sorry Freitags entschwinden. Dann schau mal nach den Fotos, Herbie!