Helmpflicht für alle: Leaves‘ Eyes erobern das Backstage – mit Almanac und MaYan im Schlepptau

24.04.2018
Backstage München

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Mit neuem Album (und neuer Sängerin) an Deck steuert Alex Krull sein Drachenboot namens Leaves‘ Eyes wieder einmal quer durch unsere Breiten. Mit Almanac und MaYan fahren unter dieser Flagge gleich zwei spannende Spielfelder guter alter Bekannter mit – da pflichten wir gerne unserem Lieblings-Fernseh-Wikinger bei, der zu sagen pflegte: spann fest das Segel an!

Irgendwann ganz am Ende hält es ihn dann nicht mehr, den guten Herrn Krull: mit voller Wikinger-Montur stürmt er zu „Blazing Waters“ hervor, standesgemäß mit Wams, Armschienen, Schwert und stilechtem Helm, der – so haben wir das ja gelernt – bei den echten Nordmännern eben keine Hörner hatte. Begeistert ist er von München, eine Top-Stimmung muss er konstatieren, und dem schließen wir uns gerne an: Leaves‘ Eyes zaubern ordentlich heute Abend im Backstage, das trotz Biergartenwetter und Fußballkonkurrenz draußen auf der Großleinwand ordentlich gefüllt ist. Aber wir beginnen mit dem Anfang.

Und den machen einmal mehr die Herrschaften von Almanac, der nicht mehr ganz so neuen Kombo von Victor Smolski, der 2015 seinen Dienst bei Rage quittierte und seitdem mit tatkräftiger vokalistischer Unterstützung von David Readman und Jeannette Marchewka unterwegs ist. Talentscout und Genregourmet Sebbo zeigte sich schon Anfang 2016 völlig entrückt, als die Formation im Vorprogramm von Orden Ogan ihr Debut-Album „Tsar“ zum Besten gab. Umso tragischer, dass unser Fotovirtuose heute leider verhindert ist und somit Hilfskinematograph Holgi sein Bestes an der Optik-Front geben muss. Die Ergebnisse bitten wir wohlwollend zu bewerten. Jetzt greifen die Herren und Dame mit Scheiblette 2 namens „Kingslayer“ erneut an und stürmen pünktlich um 19:30 die Bretter. Mit „Hands Are Tied“ legen sie schmackig los, Meister Smolski steht beim blitzsauberen, melodischen Sound klar im Mittelpunkt und brilliert durch präzises Riffing und virtuose Solo-Einlagen – mit dem gewohnt feschen Zweireiher.

Gesanglich schwingt sich Herr Readman – im wallenden Mantel vielleicht etwas zu warm gekleidet – treffsicher durchs Geschehen, und auch Kollegin Marchewka steht dieser Leistung in nichts nach. „Guilty As Charged“ und „Regicide“ (vom aktuellen Album) stehen nun auf dem Programm – es ist nichts weniger als bemerkenswert, welch einen atmosphärisch-dichten Klang der gute Victor mit nur einer Gitarre hier aufs Parkett schleudert. „Hail To The King“ bringt einen schwer-groovigen Touch ins Geschehen, der fast ein wenig an selige Rainbow-Vibes erinnert, bevor dann „Children Of The Sacred Path“ einen Zacken schneller vorprescht. Wir fahren weiter im Melodic Metal-Nachschlagewerk und biegen nach „Self-Blinded Eyes“ und „Losing My Mind“ dann mit „No More Shadows“ leider schon auf die Zielgerade ein – die 45 Minuten sind wie im Fluge vergangen, und ich kann Sebbo nur beipflichten, der sich aus der Ferne sehnlichst herbeiwünscht. Großes Kino von einer sehr sympathischen Truppe, die am Merchandise-Stand im Anschluss bereitwillig in den Nahkampf mit den Schlachtenbummlern geht.

Gelinde gesagt etwas problematischer gestaltet sich die Sache mit der nun folgenden Attraktion. Auf dem Papier klingt das ja alles ganz gut: der Epica-Klampfer Marc Jansen besann sich schon 2011 auf seine Wurzeln und scharte unter dem Namen MaYan eine Rasselbande um sich, bei der er selbst nicht in die Saiten greift, sondern sich auf die Growls konzentriert, die er auch bei seinem Hauptarbeitgeber als Kontrast zum Engelsstimmchen von Simone Simons beisteuert. Wir sind also durchaus gespannt, als das Kommando nach einem epischen Intro aus der Konserve die Bretter entert. Vom ersten Stück „Devil In Disguise“ an macht man die Marschrichtung klar: hier frönt der gute Marc nicht zuletzt seiner Death-Metal-Vergangenheit, die er als Gründer der späteren After Forever ja schon auslebte. Einen ordentlichen Scheitel ziehen uns die Jungs hier, die offenbar den Wettbewerb der Sängerkreise für sich entscheiden wollen: nicht weniger als drei Shouter sind hier am Start, die allesamt unterschiedliche Tonlagen besetzen. Neben den Growls von Cheffe Marc gibt sich neben Clean-Gesang mit schwarzem Wallehaar (wir vermeinen hier Henning Basse zu erkennen) auch noch ein spaßiger Hüpf-Flummi die Ehre, der eher aus dem Hardcore-Lager entsprungen scheint: George Oosthoek gibt den rasenden Bühnenanimateur und mischt mit Stirnband und massiven Aggro-Shouts die Menge auf. Nachdem Merel Bechtold gerade mit ihren Freunden von Delain in den USA unterwegs ist, greift Frank Schiphorst ordentlich in die Saiten.

Hui, was ein Furioso mit Blastbeats, Todesblei-Riffs und Grunz-Attacken – und plötzlich tauchen zu „Drown The Demon“ im Hintergrund auch noch zwei Grazien auf, die den Reigen der Fischer-Chöre dann komplett machen. Anfangs halten sich Marcela Bovio und Laura Macri noch gediegen im Hintergrund und lassen sich bei „Bloodline Forfeit“ dann auch gar nicht blicken - „this is a heavy and fast one“, kündigt Marc diese Knüppelorgie treffend an, worauf uns Herr Oosthoek launig fragt „Wie geht es Ihnen?“ Zu „Burn Your Witches“ von Album Nr. 2 dürfen die holden Damen dann doch wieder ran, und wir notieren den ersten Song, mit dem wir wirklich etwas anfangen können – das war uns dann doch einen Zacken zu ruppig bislang. Zu „Insano“ dürfen die beiden Grazien dann nicht nur ihre ganze vokalistische Klasse, sondern auch ihre Muttersprache ausspielen: diese schöne Ballade kredenzen sie uns in melodiösestem Italiano. Wir atmen durch uns freuen uns am ebenso gelungenen „Power Princess“, einem ordentlichen mid tempo-Stampfer, zu dem wir unter anderem das sehr ordentliche Schuhwerk aller Akteure notieren. In die Abteilung Feurio gehört dann wieder die Blast Beat-Attacke „Human Sacrifice“, bevor wir mit „Tornado Of Thoughts“ einen Track des demnächst erscheinenden neuen Albums bestaunen dürfen. Viele Tempi-Wechsel, Raserei, ein bisschen old school Priest-Attitüde – aber begeistern kann zumindest mich diese Melange nicht. Mit dem krassen „Faceless Spies“ und dem dann wieder achtbaren „Bite The Bullet“ ist die Chose dann vorüber, man gibt sich äußerst sympathisch und Fan-nah, schüttelt Hände und lacht in die Menge. Wir verstauen das mal in der Kategorie „wem’s gefällt“ – nicht gerade unsere Tasse Tee.

Von eben der Sorte brühen wir uns nun aber eine schöne Kanne auf: mit einem folkigen Intro werden wir ins Set geleitet, von dem auch schon ein wenig mehr Bühnen-Deko mit Backdrops und Wikinger-Schilden kündet. Die Stimmung schnellt sofort in die Höhe, als Leaves‘ Eyes mit dem Titeltrack ihres aktuellen Langeisens „Sign Of The Dragonhead“ in See stechen. Die Rhythmusfraktion steht eine eines und feuert den melodischen symphonischen Viking Metal unters Volk – aber seien wir ehrlich, Blickfang ist natürlich Elina Siirala, die Frontgrazie, die in Diensten des Wikingerkommandos geht, seit Alex Krull 2016 seine langjährige Lebens- und Musikpartnerin Liv Kristine abhandenkam. Die Dame brilliert nicht nur durch eine gesanglich herausragende Leistung, sondern bezirzt uns auch mit einem töften Beinkleid und graziösen Stageacting. Alex Krull himself stürmt wie gewohnt wild über die Bühne, growlt finster und schüttelt die fast bodenlange Mähne – immer wieder konstatiert er, wie gut gelaunt heute doch alle seien, was auch ohne Einwände so stehen bleiben kann: man feiert das Geschehen standesgemäß ab, das mit „Across The Sea“ in eine saubere Hüpfattacke übergeht und mit dem hymnischen „Take The Devil In Me“ ordentlich weiterprescht. Auch „My Destiny“ überzeugt durch astreine Gesangsführung und Sprung-Animation, bevor uns Alex dann zur „viking party“ einlädt: das launige „Swords In Stone“ sorgt mit folkigen Anklängen für ordentlich Furore.

Ehrenmitglied in einem gleichnamigen Wikinger-Gruppe sei er, berichtet der gute Alex nun, und das aus gutem Grunde: sein Vater stamme aus der Nähe des Ortes, dem der folgende Song huldigt: „Jomsborg“ handelt episch eine Wikinger-Legende ab, die Alex dann auch optisch wirksam mit erhobenem Schild zelebriert. Wer braucht da noch Kirk Douglas? Erstmals auf Tour, so informiert uns Frau Siirala, packen sie jetzt „Shadow Of The Night“ aus, das mindestens genauso gut reinläuft wie alles bisherige, bevor Frau Siirala nun einen ganz großen Song ankündigt, für den ihr eine Bezeichnung von Herrn Krull wohl spaßig verboten wurde (wir können nur vermuten, es geht um Wörter wie „legendär“ oder „uralt“): „Farewell Proud Men“ überzeugt wie stets als epischer signature song, der Soundgewand und lyrisch-elegischen Inhalt des Leaves‘ Eyes-Werks in Reinkultur darbietet. Bestens! Mit einem Stück vom aktuellen Album machen wir uns nun auf „all the way to Iceland“: „Like A Mountain“ kann auf voller Linie überzeugen, auch wenn Meister Krull sich für diese Stückchen eine kleine Pause gönnt. Kann man verstehen, schließlich stürmt er über die Bühne wie ein Berserker, wenn er uns wieder beehrt. Nach „Hell To The Heavens“ lockert sich die Stimmung dann wieder ein wenig: mit lustigem marching-band-cotton-eye-joe-Vibe bringen uns die „Riders On The Wind“ wunderbar in Laune. Herr Krull zeigt sich ebenso jovial und will fordert uns auf, allesamt zur Wikingerhorde zu werden: wir dürfen nun den lautesten Wikingerschrei der Welt fabrizieren, hier duldet er nun keinen Müßiggang und spricht gerne auch direkte Mahnungen aus: „Hallo! Auch ihr zwei da hinten an der Bar! Ihr könnt später weiter flirten! Und Du da mit dem Axxis-Shirt – das sind unsere Kollegen, da kann ich nichts sagen, aber dennoch, stell Dein Bier weg und mach mit!“ So gestählt, zelebrieren wir „Fires In The North“ und das fulminante „Edge Of Steel“, bevor erst mal Schicht im Schacht ist. Lange dauert es allerdings nicht, bis Frau Siirala noch zu einer besonderen Showeinlage ansetzt: zu „Spirits‘ Masquerade“ tritt sie uns in einer Larve entgegen (so nannte man früher mal Masken), die den einen oder anderen 50 Shades-geplagten in gewisse Fantasien schicken könnte – wir sind hiervon gänzlich unberührt und notieren, dass dieser Song nicht zu ihren am schnellsten zündenden Nummern zählt. Dafür aber geht es bei „Blazing Waters“ nochmal ordentlich zur Sache, zu dem der Zeremonienmeister wie eingangs dargelegt für uns als K(r)ull der Eroberer einen astreinen Robert E. Howard-Helden mimt, bevor man sich mehr als verdient nochmal ordentlich abfeiern lässt. Wir resümieren: beim Barte des Odin, eine wundersame Sturmfahrt, bei der wir gerne wieder einsteigen, wenn das Kommando erneut ablegt!