The Man who would not die: Blaze Bayley feiert (mit) uns im Backstage
/21.08.2022 Backstage München
War Within Me: unter diesem Motto bereist Blaze Bayley derzeit endlich wieder die Clubs der Nation. Und nachdem der Mann für seine beherzten und schweißtreibenden Auftritte bekannt ist, konnten wir uns das natürlich nicht entgehen lassen!
Kurz vor dem Auftritt im beschaulichen Backstage Club, auf zwei Metallstühlen, die er höflich zurechtrückt, erzählt mir Blaze, dass er und Bruce Dickinson nie viele Worte brauchen, wenn sie sich treffen: es reicht die Gewissheit, dass sie zwei von drei Leuten sind, die wissen, wie es ist, den schwersten Job in der Metal-Welt zu haben (der andere ist ein gewisser Paule). Dass Bayley Alexander Cooke seinen Frieden mit der Achterbahnfahrt gemacht hat, die er 1994-1999 mit Iron Maiden durchmachte, das bestätigt er uns nochmals im Plausch, und das merkt man auch an der furiosen Performance, die er kurz danach im Club hinlegt. Nach einer längeren Schaffenspause, die nicht zuletzt dem allgemeinen Winterschlaf geschuldet war, in den die gesamte Branche gezwungen war, kredenzt er uns mit „War Within Me“ eine neue Scheibe, die er gemeinsam mit der Kombo Absolva einzimmerte, die praktischerweise auch als seine Live-Band firmiert. Waren frühere Werke noch durchaus Thrash-lastig, wartet er nun wieder mit melodischem Metal allererster Kajüte auf, wovon wir uns auch an diesen Abend überzeugen können. Zuerst aber springt er durch die Gruppe von wartenden Fans, ruft ihnen gut gelaunt „Meet and Greet at 7!“ zu und verschwindet dann schon mal im Club. Schlag 7 gesellt er sich dann in der Tat zu den Schlachtenbummlern, signiert Platten, macht Selfies und hält einen kurzen chat, alles inbegriffen im Ticketpreis. Mehr Fannähe und Begeisterung geht nicht!
Bevor er auf die Bretter steigt, sorgen allerdings Absolva selbst mit ihrem eigenen Material für die passende Stimmung. Die Kombo um Fronter und Songschreiber Chris Appleton legt mit „Fire In The Sky“ schmackig los und serviert ihre Interpretation des melodischen NWOBHM mit Gusto. Genregrößen wie Gary Moore, Judas Priest und natürlich Maiden lugen dauernd um die Ecke, als mit „Burn Inside“ und dem mid-tempo-Stampfer „Addiction“ die nächsten Geschosse abgefeuert werden. Jeder soll doch jetzt mal drei Schritte nach vorne kommen, animiert Meister Appleton die Anwesenden, die das doch auch allzu gerne tun. Bruder Luke an der zweiten Sportguitarre versieht den Dienst ebenfalls beherzt, wodurch immer wieder Thin Lizzy-Anklänge aufblitzen, und beim Schuhwerk ist man versucht zu fragen, ob dies nun Standfestigkeit gewährleisten soll oder auf einen bevorstehenden Arbeitseinsatz hinweist. Nun präsentiert man uns den „favorite song of the new album“: „What does God know“ überzeugt durch einen balladesken Anfang, bei dem Saitenbieger Chris durchaus brilliert, bevor man dann in ein episches, ausladendes Werk abbiegt. Großes Kino, untermalt mit überzeugendem Stage-Acting, unter anderem choreographiertes Umgreifen auf dem Gitarrengriffbrett. So rollt der Zug weiter, mit „Burning Star“ tritt man das Gaspedal wieder durch, Tieftöner Karl Schramm verneigt sich in Spieltechnik (Fingerzupfen ist angesagt) und Tattoos vor seinem großen Idol Steve Harris, und Fronter Chris ruft uns dann sogar noch zu, dass es einen eindrucksvollen „football score“ gegeben habe beim abendlichen Bundesliga-Spiel. Gefällt nicht jedem, ist aber wahr. Nach eindrucksvollen 40 Minuten ist die Chose vorbei – „we are Absolva, and we play Heavy Metal!“, mit dieser kleinen Lemmy-Hommage verabschiedet man sich von uns.
Vorerst. Denn wie erwähnt geht es für die Kollegen ja gleich darauf weiter, als sie in ihrem Zweitjob als Blaze Bayley Band auftreten. Zu den Klängen von „Ten Seconds“ vom Blood and Belief-Album steigen sie ein, der Meister selbst lässt sich ein wenig Zeit, wandert dann dräuend hervor und schnappt sich den eigens mit Schweißbändchen drapierten Vintage-Mikroständer. Von Anfang zeigt sich Blaze gut bei Stimme und feuert die Nummern mit einer derartigen Begeisterung heraus, dass man einfach gar nichts anderes sein kann als hin- und mitgerissen. „Kill And Destroy“ schlägt weiter in die eher melodische Kerbe, Blaze legt sich unverändert ins Zeug und freut sich sichtlich über die wohlwollenden Reaktionen, die ihm entgegenschlagen – jedes Mitsingen wird erkennbar zur Kenntnis genommen. Nach „Watching The Night Sky“ feuert er dann den Titelsong des neuen Albums ab, wobei er uns wortreich informiert: jeder führe doch einen Kampf mit sich selbst, aber man solle niemals vom eigenen Weg abkommen. „War Within Me“ inszeniert er regelrecht, mit Gestik und Mimik, die den „inner struggle“ lebhaft vor Augen führen, um den es geht und den er selbst glaubhaft durchlebt hat. Auch das folgende „Pull Yourself Up“ nutzt er für eine Lobrede auf seine Anhängerschaft: jeder Fan ist ihm wichtig, alle hier und heute sind eine Gemeinschaft, was dann auch noch „Warrior“, ebenfalls vom neuen Album, unterstreicht. Authentisch, meilenweit weg von jeder aufgesetzten Attitüde, vermittelt Blaze Ehrlichkeit und ein Arbeitsethos, das seines Gleichen sucht.
Er will zu 100 Prozent abliefern, das ist der Deal mit den Fans, hat er mir vorher erzählt, und das gelingt heute Abend geradezu formidabel. Die Stücke sind perfekt auf sein eher dunkles, tiefes Timbre abgestimmt, und die Backing Kombo rührt den Soundmix kraftvoll und mit Druck an. Durchsetzungsfähigkeit und Ausdauer als Thema durchziehen die gesamte Wissenschaftler-Trilogie des neuen Albums, von dem man uns nun „The Power Of Nikola Tesla“ zu Gehör bringt, bei dem Blaze das durchgängige „power in the air“ wieder gestenreich untermalt. Mittlerweile ist jeder ordentlich angeheizt, die Meute ist auf 100 Nasen angewachsen und feiert jeden Song standesgemäß ab. Mit „Virus“ kommt nun ein erster Vertreter aus der Maiden-Ära zu Ehren – der wahre Feind sei nicht eine Krankheit, sondern korrupte Politiker seien die wahre Geißel, so die freimütig offerierte Interpretationshilfe des Songs, bei dem sich die Instrumentalfraktion mehr als würdig zeigt, die ausdrucksstarke Basslinie und die Gitarrenharmonien des Originals rüberzubringen. Eher düster kommt dann „Witches Night“ daher: da geht es wohl keineswegs um Macbeth, sondern um die „dark thoughts“, die jeder einmal hat, denen man aber nicht nachgeben sollte – man solle doch viel lieber an den heutigen Abend denken und sich mit solchen positiven Erlebnissen wieder ermutigen, wie Blaze das auch selbst tut: „You keep me afloat!“, ruft er uns dankend zu.
Wo sonst bekommt man solche praxisnahe Psychologie auf so unterhaltsame Weise serviert? Nachdem bei „18 Flights“ jeder Instrumentalist ein Solo hinlegen darf, liefert „Silicon Messiah“ einen Ausflug in die allerersten Solo-Zeiten, bevor sich Blaze dann wieder an uns wendet. Auf manch einen mag das Ganze hier klein und bescheiden wirken, führt er aus, aber für ihn ist es der Traum: nach diversen Fehlschlägen habe er endlich ein gutes Team, ein professionelles Management, eine eingespielte Kombo und kann so wieder touren - auch an Orten, an denen Türen bislang manchmal verschlossen blieben. „I am living the dream“, ruft er uns zu, er habe nie aufgegeben, „and you made me…the man who would not die!“, schmettert er uns sein Lebensmotto entgegen, dass vom thrashigen gleichnamigen Stück ordentlich untermauert wird. Kleine Pause, aber natürlich darf ein weiterer Ausritt in die Vergangenheit nicht fehlen – das instrumentale Intro zum Maiden-Reißer „Man on the Edge“ (zu dem er den Text pinselte) unterbricht er mehrmals und fordert wirkungsvoll mehr Begeisterung und einen beherzten Schrei, den wir nach mehrmaligen Versuchen zur Zufriedenheit abliefern. Dann aber brettert die „story about a briefcase, a lunch and a man on the edge“ los, die auf dem ersten Blaze-Maiden-Werk „The X Factor“ eine pfeilschnelle Version des „Falling Down“-Streifens lieferte, in dem Michael Douglas alles kurz und klein haut. Jetzt gibt es kein Halten mehr, die Meute geht steil und feiert den Song mit voller Attacke lauthals ab. Gleiches gilt dann für „Futureal“ vom „Virtual XI“-Album, das mit durchgängiger Melodie und Schnelligkeit komplett überzeugt. Blaze ist begeistert, feuert noch „Blood And Belief“ und „A Thousand Years“ hinterher, bevor er sich dann – unermüdlich und unerbitterlich – wieder zum Merchandise-Stand begibt, um dort wacker weiter zu signieren und Hände zu schütteln. Was sagt man dazu? Ehrlicher und authentischer geht’s wohl nicht. Hingehen, staunen und den Mann, der sich nicht unterkriegen lässt, erleben!