Kuehleszeug auf Tauchstation - mit Crimson Feather unterwegs im Untergrund des Lehels
/5.5.2022 X-Bar München-Lehel
Dieser kleine Konzertbericht stand wahrlich unter einem schlechten Stern. Wenn Ihr, wertes Publikum, das lesen werdet, liegt dieser durchaus denkwürdige Auftritt sicher schon 2-3 Monate in der Vergangenheit. Dennoch, dieser Abend ist es trotz aller Widrigkeiten (verdammtes Coronavirus) wert, einen Bericht zu bekommen. Warum, fragt Ihr? Naja, hauptsächlich, weil das, was an diesem Abend stattgefunden hat, eigentlich gar nicht funktionieren dürfte, und das gleich auf mehreren Ebenen.
Fangen wir mal damit an, Heavy Metal im noblen Lehel?! WTF. Das kann doch nur ein komischer Scherz sein, oder? Keinesfalls, meine Damen und Herren! Eine verwegene Münchner Band namens Crimson Feather hat sich an dieses Unterfangen gewagt und, wenn ich das vorwegnehmen darf, ist dabei überraschenderweise nicht gescheitert.
Das nächste Kuriosum ist der Ort des Geschehens - offensichtlich ist die X-Bar aus Schwabing ins Lehel gezogen. Und das schon 2019! So langsam realisiert der verdutzte Autor, wie krass dieser äußerst seltsame pandemische Winterschlaf wirklich war. Auch das sollte nicht funktionieren, aber wenn man über düstere Treppen hinab in den Untergrund des Lehels schwebt, findet man sich in einem surrealen tarantino-artigen Universum wieder. Flackernde Kerzenleuchter empfangen uns an den Wänden und verwunschene Kronleuchter, die von der Decke hängen, flankieren einen langen in rotes Licht gehüllten Holztresen, auf dem die ein oder andere Halbe an Menschen in schwarzen T-Shirts übergeben wird. In den verwinkelten Ecken befinden sich Ledersofas mit zwielichtigen Gestalten und der Platz vor der überraschend großen Bühne ist mit einem riesigen roten Perserteppich dekoriert. Das ist… toll!
In ebendieser Bar ist heute besagte Münchner Kapelle zu Gast, die sich als “More than your grandfather's favorite heavy metal band!” auf ihrer eigenen Website ankündigt. Was kann da schon schiefgehen?
Wir nehmen mit einem kühlen, hopfenhaltigen Getränk Platz auf der Couch vor der Bühne (spektakulär, oder?) und harren der Dinge, die da nun kommen mögen. Und auch das, was wir dann zu sehen bekommen, sollte optisch wie musikalisch eigentlich ebenfalls nicht funktionieren. Links auf der Bühne holt Gitarrist Ingo mit Stratovarius-Shirt klassische Metal-Riffs aus seiner schwarzen Flying V, rechts außen dagegen springt Max mit einem Melonen-Hut auf dem Kopf herum und bearbeitet dabei einen fünfsaitigen Bass - das auch gerne mal eher in Jazz- als in traditioneller Metal-Manier. An der Schießbude hinten in der Mitte sitzt Matthias, der durchaus weiß, wie man die Doublebass malträtieren muss. Und dann gibt es da noch das Gesangsduo, welches aus der fröhlich-rockenden Sängerin Mary, die dem dargebotenen Klangteppich einen lebhaften punkigen Anstrich verpasst, und dem growlenden Beelzebub Karl besteht, der sich auf beeindruckende Weise die Seele aus dem Leib schreit, aber auch die ein oder andere cleane Vocallinie drauf hat.
Genauso bunt und durcheinander, wie das auf der Bühne aussieht, wildern Crimson Feather auch in verschiedensten musikalischen Stilrichtungen. Rock, Pop, Punk, Metal, Hardcore, Balladen und Groovestampfer, aber auch progressive, vertrackte Titel werden dem Publikum kredenzt und ja, am Ende passt alles irgendwie zusammen. Das Lehel, der Metal, die X-Bar, die verschiedenen zusammengewürfelt wirkenden Persönlichkeiten auf der Bühne, die Ledersofas und Kronleuchter sowie das Potpourri an Musikrichtungen ergeben ein Ganzes, das auf eine seltsame, gruselige Art und Weise Sinn ergibt. Versteht mich nicht falsch, das ist keine gemütliche Fahrstuhl-Hintergrundmusik. Was da von der Bühne kommt, ist laut und meist hart und damit genau das, was Metal eigentlich sein will. Aber es setzt sich keine Grenzen, sondern sprengt diese eher auf und entfaltet einen wohligen Charme. Was könnte da noch absurdes passieren? Wie wäre es mit einem klassischen Instrument? Auch hier enttäuschen Crimson Feather nicht. Kaum versieht man sich, hat Sängerin Mary eine Violine in der Hand, während Death-Metal-Fronter Karl noch brüllt und der Mann mit Melone und Bass immer noch die Rampensau gibt.
Was soll ich sagen?! Dieser Abend und insbesondere der Auftritt von Crimson Feather waren anders als jede Erwartung, die man hätte haben können, und das war das eigentlich Faszinierende an dieser Veranstaltung. Der Mut und das Selbstvertrauen, mit einem solchen Stilmix unterwegs zu sein, ist beeindruckend und gehört alleine deswegen schon unterstützt. Dementsprechend gerne wieder, gerne mehr davon und gerne auch wieder in der X-Bar.
https://www.crimson-feather.de/
https://x-bar-club.de/