Ein wahrhaft berauschendes Donnerwetter: Thundermother und The Legendary im Backstage
/16.05.2018
Backstage München
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Donnerlüttchen, Mudder! Wenn die gar nicht so alten Schwedinnen von Thundermother in runderneuerter Formation und mit neuem Album im Gepäck zum Tanz laden, sind wir natürlich vorne mit dabei. Und nachdem zu diesem Tanz kein Tee gereicht wurde, galt besonders auf der Bühne das sattsam bekannte Motto: sie sind ausgelassen, Herr!
Also, ein wenig mit der Angst zu tun bekomme ich es ja schon, als die nicht gerade zimperliche Sara Pettersson (heute mal unterwegs ohne Kater Findus), die eben erst im Publikum wild den Bass geschwenkt hat, geradewegs auf mich zusteuert und mir wortlos fordernd die Hand hinhält. Soll ich abklatschen? Gratulieren? Mich vorstellen? Nein, jetzt verstehe ich das: ich darf die Dame nach ihrem kleinen Abstecher wieder auf die Bühne befördern, wo ihre Kolleginnen in ausgelassenster Weise gerade die letzten Meter des Auftritts bestreiten. Ihre eigene Ermahnung „it is hot here! Make sure to drink enough!” haben sie selbst beherzigt, bis alle Vorräte auf der Bühne aufgebraucht sind – dem Enthusiasmus tut das keinen Abbruch, ganz im Gegenteil. Aber wir greifen vor.
Die Anreise gestaltet sich heute zweifelsohne gemäß der angesagten Kombo von den Gezeiten gezeichnet: die Stadt scheint im Sturzbachregen unterzugehen, Klimaforscher Sebbes rettet sich per Hechtsprung ins trockene Fahrzeug und konstatiert: „Das Wetter ist kaputt!“ Wir lassen uns davon aber nicht abhalten und wandern gen Backstage, wo heute im Werk Fußball kommt, in der Halle die Schwarzwurzelfraktion finster dreinblickt (gleich vier Knüppelkombos spielen da auf, angeführt von Marduk) und im kuschligen Club die Freunde gepflegter Hard Rock-Klänge auf ihre Kosten kommen wollen. Die lauschige Location füllt sich durchaus ansehnlich und ist nicht zuletzt auf der kleinen Galerie oben gut besetzt, als um Schlag 8 die Lokalmatadoren von The Legendary auf die Bühne marschieren. Zeremonienmeister Thorsten Rock macht uns mit Rauschebart, Fliegerbrille, Cowboyhut und Glitzersakko eine feine Mischung aus Lemmy und Joe Cocker, während die Menge die stampfenden Stoner-Grooves zunehmend goutiert. Bei „Rocket Ship“ (das Thorsten vor lauter Begeisterung gleich zweimal ansagt) geht man die Chose dann schon einen Zacken schneller an, Herr Rock muss immer wieder mal die Gitarre umstimmen und begrüßt uns durchaus leutselig. „Half A Devil“ bringt dann feine ZZ Top Vibes an den Start, und bei der wirklich gelungenen Halbballade „Feel Some“ („das ist jetzt ein bisschen depri“) singt Herr Rock dann nicht nur formidabel, sondern wirft auch endgültig die Glitzerjoppe von sich – „zu heiß hier oben!“. „The Dirt“ groovt ordentlich los, Enzyklopädist Sebbo entdeckt immer neue musikalische Vorbilder („Billy Idol!“ - „The Clash!“) und würdigt vor allem die immer wieder eingängigen, geschliffenen Refrains. Spaßig wird’s dann bei „Day In The Desert“, einem brandneuen Stück, zu dem dem Vernehmen nach der Text gerade erst entstanden ist – „kann also sein, dass ich irgendwas anderes singe“, informiert uns der Meister gut gelaunt. Selig wie zu guten AC/DC-70er-Zeiten öffnet das „Hardrock Hotel“ seine Pforten, bevor dann nach gut 45 Minuten mit „If I Was A Girl“ Schicht ist. Begeisterung allenthalben, genau das richtige Futter für heute Abend, weshalb sich am Merchandise-Stand der eine oder andere dann noch die aktuelle Langrille „Let’s Get A Little High“ genauer anschaut.
Mittlerweile ist es richtig voll in dem Laden, und in der Umbaupause stellen wir fest, dass das Bühnenequipment aus Vintage-Verstärkern (immer gerne genommen: Orange) und feschen Blitzen aus Pappdeckel schon komplett aus dem Donnermutter-Camp entliehen war. Das Zeug bleibt nämlich einfach stehen, so dass wir gar nicht lange ausharren müssen, bis der Programmablauf fortgeführt wird, was auch gut so ist, weil die Meute durchaus erwartungsfroh scheint. Kurz vorher können wir hinter dem Backdrop schon eine hüpfende Gestalt erspähen – „die machen auch Cardio!“, stellt der neuerdings den Leibesübungen frönende Sebbes fest -, aber dann springen Thundermother auf die Bretter und legen mit „Whatever“ gleich ordentlich los. Chefin und Gründerin Filippa Nässil, die 2017 ja kurzfristig ohne Band dastand und sich drei neue Mitstreiterinnen an Bord holte, gibt den Takt vor, aber mindestens ebenso eindrucksvoll trägt die langmähnige Guernica Mancini in glitzeriger Schnalzhose zur Bühnenpräsenz bei. Weiter geht’s mit dem dreckigen „Cheers“, einem flotten Boogie, zu dem die gute Filippa ihre Gitarre gleich mal mit einer Bierflasche bearbeitet und damit auch den Getränkereigen einläutet. Die Rhythmusfraktion mit der eingangs schon erwähnten Frau Pettersson am Bass und der in jeder Hinsicht beeindruckenden Emlee Johansson am Schlagzeugsson steht wie eine Eins, man wechselt fröhlich die Seiten und kredenzt uns nun mit „Revival“ (kühle AC/DC-Vibes inklusive) den Titeltrack des neuen Albums und das Motto der ganzen Tour, die heute erst die dritte Ansetzung und das erste Deutschland-Date erfährt, wovon uns Frau Mancini natürlich in Kenntnis setzt.
Insgesamt lassen uns die Damen im Laufe des Abends immer wieder hochleben, Deutschland sei das beste Roggenroll-Land überhaupt, und am liebsten würden sie nur bei uns touren. Nach dem schnellen „Give Me Some Lights“ (sagt ja schon der überführte König in Hamlet) tänzelt Frau Mancini zu „Racing On Mainstreet“ wie der gute alte Axl, als der noch nicht hüftsteif war, bevor dann die Single „Hellevator“ (die es 2016 ausschließlich zum töften Anschnur-Herablad gab) mit Monstergroove massiv in die Beine fährt. Die Meute ist mittlerweile verzückt, die Stimmung steigt auch unter den Akteurinnen stetig, so dass Chefmutter Filippa zum hervorragenden „Shoot To Kill“ kurzerhand die Treppe zur Galerie hinaufeilt und dort oben rockt, nur um schnurstraks wieder nach unten zu kommen und sich mitten durch die Meute zu arbeiten. Bestens, meine Dame! Beim fein melodischen „Hanging At My Door“ gleitet die Gute dann ein wenig auf meinem auf der Bühne abgelegten Schreibgerät aus, was sie jedoch nicht anficht – ganz im Gegenteil geht es mit „Thunderous“ gut gelaunt weiter. Ob wir uns denn gerne mal locken lassen, fragt Frau Mancini nun – bei dem Beinkleid allemal, und das folgende „It’s Just A Tease“ liefert dann ganz gewaltig ab.
„Follow Your Heart“ fällt als Ballade dann ein wenig ab, aber das uralte „Critter“, das sie uns als besonderen Leckerbissen kredenzen, schlägt dann wieder in die richtige Kerbe. Der Getränkevorrat auf der Bühne geht zusehends zur Neige, im gleichen Maße steigen Spielfreude und Enthusiasmus – spätestens als ich Frau Pettersson mitsamt ihrer feschen Blümchenunterbutz zur Hand gehen muss, stehen die Zeichen auf beschwingter Freude. Wir sollen jetzt irgendetwas mitsingen, das wir nicht mehr recht verstehen – wir einigen uns darauf, dass es wohl „one two“ sein soll, und stimmen frohgemut ein, als ein fulminantes „Fight Fire With Fire“ dann erst einmal den Abschluss macht. Ganz schnell kehren sie allerdings wieder zurück, Frau Mancini kämpft ein wenig mit einer widerspenstigen Feder, die als Schmuck erst unter der Bluse lugt, dann keck nach vorne steht und schließlich wirr im Haar auftaucht, aber davon lässt sie sich nicht verdrießen, sondern setzen mit dem wunderbaren „Fire In The Rain“ ein nächstes Glanzlicht. „We Fight For Rock’n’Roll“ beendet dann aber endgültig den Reigen, bei dem die Mädchen auf der Bühne mindestens ebenso viel Freude hatten wie die Schlachtenbummler im engen Rund des Clubs. Das nennt man glaube ich eine win win Situation. Zumal es draußen endlich aufgehört hat zu regnen.