Saturday Night (Metal) Fever: wir schwingen die Hufe mit Battle Beast, Majesty und Gyze im Backstage

Schier unaufhaltsam galoppiert, stürmt und donnert es, das finnische Schlachtross: Battle Beast machen einfach alles richtig. Nicht nur hauen sie mit „Bringer Of Pain“ ein berauschendes neues Album heraus, nein, auch auf den Bühnen überzeugen die Herrschaften nachweislich immer auf ganzer melodischer Linie. Wenn man uns als alte Weggefährten somit zum Tanztee auffordert, dann sagen wir dazu nur: Enter the metal world of doom!

Also, ein gutes Gedächtnis hat er ja schon, der gute Eero Sipilä, seines Zeichens Battle Beast Basser: man sei ja mittlerweile zum vierten Male hier im Backstage, referiert er irgendwann im Set – zuerst als Support von Sonata Arctica, dann als Opener für Powerwolf, anschließend ein paar Meter weiter im kuschligen Club vor 300 Leuten (na, das ist durchaus wohlwollend aufgerundet, aber lassen wir das mal so stehen – immerhin war das erstmals als Headliner und somit achtbar), und jetzt hier und heute im Werk vor einer ausverkauften Bude mit mehr als 800 Nasen. Was er leider nicht erwähnt: mit Ausnahme des ersten Ausritts waren wir immer dabei und haben mithin den mehr als verdienten Aufstieg dieser Kombo hautnah verfolgt. Und grade weil es immer so schön ist mit ihnen und weil die neue Scheibe „Bringer Of Pain“ wieder diese unverschämt eingängige Variation des 80er-Hard Rock-Sounds in Reinkultur serviert, sind wir geradezu hibbelig, als wir ins Werk marschieren.

Dort ist noch durchaus gut Luft, als die erste handfeste Überraschung auf uns wartet. Denn die Japaner von Gyze (ausgesprochen Gi-ze, also wie die Pyramiden) rühren keinesfalls einen exotischen Klang-Reiswein an, sondern ballern eine energetische Mischung aus melodischem Death und Power Metal in die Reihen. Da schaut man sich kurz verdutzt an und reibt sich die Augen, aber die technische Präzision und Spielfreude der drei Herren reißt die erstaunten Anwesenden zunehmend mit. An der Gitarre macht uns Ryoji den astreinen Alexi Laiho, mit flirrenden Soli, bezaubernden Melodien und kräftigen Keifgesang. Ein wenig Englisch und Deutsch hat er wohl einstudiert, obgleich man die Ansagen außer „Dankeschön“ kaum versteht – dennoch ist klar, dass er vehement möchte, dass wir mitmachen, und das tun wir ja auch gerne. Sein Mitstreiter Aruta am Bass gibt sich weniger agil, glänzt dafür aber mit Kajal-Schminke à la Adam Ant und von Charlotte Wessels entliehenem roten Haarschopf, bevor er dann doch ins Synchron-Banging einschwingt. Das Material – vermutlich vorzugsweise vom aktuellen Album „Northern Hell Song“ - changiert einstweilen zwischen ruppig-melodischen Death-Attacken und Guitar-Hero-Power-Metal-Material mit folkigen Einsprengseln, das in jeder Sekunde zu überzeugen weiß. Die Menge gerät derart aus dem Häuschen, dass wir uns kaum erinnern können, bei einer vollkommen unbekannten Support Band derart enthusiastische Reaktionen erlebt zu haben. Am Ende wirft man CDs aus, Verzückung allenthalben. Arigatou gozaimasu für diese dreißig Minuten, meine Herren!

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Uns schwirrt noch der Kopf nach dieser verwirrend vorzüglichen Darbietung, so dass wir kaum wahrnehmen, wie die Bühne nun flugs mit einem „Rebels“-Backdrop für die deutschen Wahrmetaller Majesty hergerichtet wird. Kurz nehmen wir noch verwundert zur Kenntnis, dass ein paar gut beleibte Zaungäste das mit der Garderobe offenkundig nicht ganz verstanden haben (da soll man seine Jacke abgeben, nicht T-Shirt nebst Hirn), als das Kommando die Bretter stürmt. Emanuel Knorr und Robin Hadamovsky an den Gitarren nebst Basser Alex Voss steigen mit „Die Like Kings“ gleich massiv aufs Gaspedal, und spätestens als Fronter Tarek „MS“ Maghary (das MS steht nicht für Motorschiff, sondern für Metal Son) mit ins Geschehen eingreift, wird klar: der Kajal scheint heute zum obligatorischen Accessoire zu gehören. Das soll uns nicht weiter stören, wir konstatieren wie stets bei diesen Kollegen einen beherzten Auftritt, der in Optik und Sound bekanntlich eine deutsche Version der mittlerweile zu Zirkusartisten verkommenen ehemaligen selbst ernannten Kings Of Metal bietet. Heute kommt die Darreichung durchaus gut an, inklusive der Hüpf-Einlagen zur Bandhymne „Majesty“ (wobei das Publikum deutlich höher hinaus will als die Vortänzer auf der Bühne) und synchroner Ballett-Schritte, die wir schon weiland bei Accept bewundern durften. „The Final War“ kredenzt dann eine schnelle, dank keyboard-Einsätzen Sabaton-artige Nummer vom aktuellen Album, bevor der gute Tarek uns nun warmherzig begrüßt, wir feststellen, dass sein Wams wieder etwas besser sitzt, und er mit dem nun folgenden neuen „Yolo HM“ das Motto festlegt: Spaß an der True Metal-Freude ist angesagt, und mit den Augen darf man dabei auch mal zwinkern. Als ich noch erklären darf, was es denn mit dem ominösen „Yolo“ auf sich hat (Jugendwort des Jahres 2012, damit schon längst wieder mausetot, hieß „you only live once“ und stand für eine Attacke-Attitüde), stellt Lokalkulturhistoriker Sebbo fest: das ist hier wie auf dem Jahrmarkt, zackige Sounds und zünftige Unterhaltung – quasi die Metal-Version von Auf geht’s zum Schichtl! Dort gibt man bekanntlich Enthauptungen täglich, so weit geht der gute Metal Son Tarek natürlich nicht, sondern teilt die Menge in rechts und links, wir müssen schreien, und weiter geht’s mit der getragenen Ballade „Across The Lightning“ (ebenfalls vom aktuellen Langeisen), zu der wir brav nach rechts und links winken. Schön. Bei der wahrlich-Metall-Hymne „Metal Law“ (ein Rückgriff auf das „Hellforces“-Album von 2006) bricht der kollektive Mitsing-Alarm aus, die Gitarren blinken hell, und Tarek erklärt uns, dass man hier und heute Szenen für das nächste Video mitschneiden wolle. Was auch erklärt, warum ein emsiger Techniker permanent umher huscht und mitfilmt, so auch zu „Heroes In The Night“ (nächster Strich auf der „Rebels“-Trackliste). Mit „Thunder Rider“ biegt der schwarz gewandete Tross auf die Zielgerade ein, bevor dann „Rebels Of Our Time“ (eingeleitet mit dem Hinweis auf den eigens dafür produzierten Kurzfilm, zu bestaunen auf dem Youtube-Kanal der Majestäten) nach einer knappen Stunden den Schlusspunkt setzt. Kurzweilig keine Frage, energisch wie die Duracell-Trommler, und ausgelassene Stimmung wie auf dem Volksfest. Siehe oben. Man sieht sich am Merchandise-Stand.

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Wir ketten uns einstweilen an unserem neuen Stammplatz vorne links fest, denn immerhin kann es nun ja nicht mehr lange dauern, bis wir in die Metallwelt von Battle Beast eintreten dürfen. Und siehe da, hinter dem Drumkit (man verwendet den ganzen Abend das gleiche mit durchsichtigen Trommeln, sieht schick aus und beschleunigt die Umbauten enorm) krabbelt in lustig gemusterten Strumpfhosen alsbald Schlagwerker Pyry Vikki hervor – anschnallen und los geht die Sause mit „Straight To The Heart“, dem Opener des aktuellen Albums. Hossa, welche eine Atmosphäre von Anfang an: die Menge zeigt sich sofort begeistert, der vormals noch hoffnungslos überrannte Bierstand ist verwaist, der Sound ist astrein (nicht überzogen laut, vielen Dank), und die Spielfreude der Kombo übertragt sich augenblicklich. Aber da kommt sie zu weiteren Jubelstürmen nun endlich daher: Noora Louhimo macht uns mit langem schwarzen Ledermantel, blonder Mähne und – richtig geraten – massiver Augenschminke eine veritable Metal Queen. Der Mixer weiß offenbar, was er tut, und bringt im Klangteppich den Gesang laut und deutlich nach vorne, was ja nicht jeder Kombo gut zu Gesichte steht. Hier gehört das Organ allerdings dazu wie die Spiegelkugel an die Disco-Decke, wobei Noora kräftig und treffsicher brilliert. Auch in Sachen Bühnenpräsenz spürt man, dass diese Kollegen auf zunehmend großen Bühnen zu Hause sind: die Instrumentalfraktion zeigt sich agil, während Noora lässig-überzeugend die Bühne dominiert. „Bringer Of Pain“ schießt als Judas-Priest-Hommage in Höchstgeschwindigkeit vorbei, und Noora sinniert darüber, dass die Battle Beast Family stetig wachse – von 300 bis auf 800 heute, und diese 800 geraten aus dem kollektiven Häuschen, als nun die Single-Auskopplung „Familiar Pain“ an den Start geht. Ein ordentlicher Stampfrhythmus verbindet sich da mit einem waschechten Pop-Metal-Refrain – damit kommen nicht viel davon, aber hier macht es die Würze aus. Der ganze Laden hüpft (höher als vorher) und singt beseelt mit, wir halten schon jetzt fest: das wird richtig gut heute. Janne Björkroth verbeugt sich auch optisch mit Umhänge-Keyboard in Richtung 80er, das passt ins Gesamtgefüge, denn spätestens mit „Into The Heart Of Danger“ fühle ich mich wie stets zurückversetzt in so ziemlich alle Soundtracks von Action-Spektakeln dieser Dekade aus der Feder eines gewissen Harold Faltermeyer. Fast möchte man mit Maverick die Hundemarke von Goose ins Meer schleudern, so wundersam ist das, was nun mit „We Will Fight“ ein kollektives Fäusterecken zeitigt.

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„I am almost speechless!“, zeigt sich Basser Eero von den Reaktionen entzückt: „This seems like a pointless question, but are you ready to get this party started?“ Dann versucht er, auf Deutsch diejenigen Songs der Setlist zu zählen, die vom aktuellen Album stammen, scheitert erst bei „fünf“, und sagt dann kurzerhand lieber das ältere „Let It Roar“ an. Dieser Up Tempo Stampfer geht in die Vollen, Noora führt einen wilden Tanz auf, und im Publikum ist sogar ein Crowdsurfer zu erkennen (vielleicht ist der ja vom letzten Mittwoch übrig, als Arch Enemy das Surfer-Fließband anwarfen). Ebenfalls wie die gute Alissa verschwindet auch Noora nach jedem Song kurz hinter den Kulissen – die Wurst-Fraktion bleibt heute aber vermutlich ungeschoren, oder? Egal, wir sind hier ja beim Metal, „and here it is erlaubt to go apeshit crazy“, meint Eero jetzt, und das tun wir dann auch gerne nur immer wieder absolut herausragenden, mit einem gut gelaunten „from the land of Pokemon“ angekündigten „Black Ninja“, die Noora mit schwarzem Lederfummel zelebriert (daher also der Abstecher nach hinten). „Far From Heaven“ bringt dann als getragene Ballade wunderschöne Atmosphäre, zu „Lost In Wars“ macht uns Noora in schwarzem Umhang und Zauberstab die dunkle Fee Maleficent, als man uns dann per Gitarre ein Star Wars-Thema kredenzt und Keyboarder Janne ein Fläschchen Bier in einem Zug leeren muss.

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Und das auch mit Bravour schafft. Bei „Iron Hand“ vom Debut „Steel“, auf dem sie noch wesentlich traditionell-metallischer klangen, schüttelt Noora ihre Mähne derart, dass sie danach nicht mehr unbedingt in der Drei Wetter Taft-Werbung auftreten könnte, aber das ist uns bei dieser Vokal-Leistung herzlich egal. „Well, you have heard a lot of types of metal tonight“, plaudert die Gute nun mit uns, „you have heard Power Metal, Speed Metal, True Metal…but you haven’t heard – Disco Metal!“ Danke, dass ihr das selbst zu bezeichnet, so können wir endlich offiziell betonen, dass “Touch In The Night” und auch andere Nummern knietief im Sumpf des 80er-Europop vom Schlage einer Sandra und Konsorten stehen, dass es eigentlich unerklärlich ist, warum die ganze Kutten- und Mattenbewehrte Meute hierzu steil geht. Uns inklusive. Vielleicht, weil es einfach genial ist, wie diese Kompositionen funtionieren und die Melodien einfach untentrinnbar sind? Das nämliche gilt für die folgende Attraktion, für das man laut Eero alle „Viking Warriors in Munchen, Deutschland“ benötige: da sind wir hier ja richtig, und wir feiern das schmackige „Bastard Sons Of Odin“ standesgemäß ab. Auf dem Papier klingt das genauso nach Kirmes wie Majesty, funktioniert aber irgendwie besser. Noora in Nietenwams macht massiven Eindruck, beim Refrain tritt man kollektiv in imaginäre Hintern – wir sind entzückt. Das Stakkato von „Enter The Metal World“ führt zum Kollektivrausch, und die Setlist neigt sich bedrohlich dem Ende entgegen. Wo ist dieser verflixte pinke Panther, der hier die Zeitmessung manipuliert?? „This is the last show of this tour“, informiert uns Noora nun, “we would like to go on, but we have to go to America. I do not know why Sabaton wanted us”. Meine Liebe, es ist in Deutschland ein Fehler, diese Kombo zu erwähnen: sofort setzt es die üblichen „noch ein Bier“-Sprechchöre, zu denen dann alle beherzt prosten dürfen. Ein furioses „Out Of Control“ bringt das reguläre Set zu Ende, sie verschwinden kurz, und wir protestieren lauthals. Sie kommen natürlich noch einmal zurück, man dankt für die „biggest show in Germany“ und stellt fest, das müsse natürlich mit einem „tribute to Manowar“ gefeiert werden – hoch die Fäuste zum Kings Of Metal-Gruß, und los geht’s mit der Keyboard-Melodie von….“Last Christmas“. Von Wham. Ein Schelm, wer Böses (etwa einen Seitenhieb auf die True Metal Fraktion?) dabei denkt – wir nicht, wir freuen uns an einem wunderbaren „King For A Day“, auf das mit „Beyond The Burning Skies“ das unerbitterlich letzte Stück folgt. Aus? Nein! Wir fordern eine Resolution! Wir wollen eine Spielzeit von 4 Stunden, die Setlist bitte mindestens dreimal komplett durchspielen, und dann nochmal von vorne – allein, es wird nicht stattfinden, da hilft es auch nicht, dass ich Noora die Hand drücke und sage, dass das alles „wonderful“ war. Sie müssen heim, es nutzt ja nichts, zum „Top Gun“-Thema von der Konserve verschwinden sie. Wie passend. Was ein Fest der schönen Melodien, Freunde. Wir sind noch völlig benommen, halten fest, dass dies definitiv eines der Highlights des bisherigen Jahres war, und gehen noch ein wenig in den kleinen Club. Dort setzen wir uns auf die Bühne, auf der wir vor weniger als zwei Jahren noch die gleichen Battle Beast bestaunten, und schauen jungen Damen in Kniestrümpfen noch ein bisschen zu, wie sie zu Schlagetot-Musik umherspringen. Aber zu Noora ist das natürlich kein Vergleich.

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