Who let the dogs out? New Makes, Rebellen und eine Oberstufe stellen sich dem Tasting „Made in Germany“
/Rührig ist sie, umtriebig, die deutsche Brenner und Brauer-Szene, für die wir ja ein ganz besonderes Herz entwickelt haben. Unsere frischeste Testanordnung läuft daher wieder einmal unter der Flagge „Deutsche Maßarbeit“ und bringt dabei sehr illustre Kandidaten an den Start: einmal einen brandneuen, noch gar nicht gelagerten Brand, dazu frisch aus dem Faß die Rauchvariante eines alten Bekannten und sogar noch die lobenswerten Ergebnisse einer sehr praxisnahen Chemie-Kurseinheit. Wie sagte ein gewisser Lehrer gerne zu den Pennälern: da stelle mer uns mal ganz dumm – und los geht’s!
Runde 1: Wir starten farblos
Station 1 unserer Geschmacksreise führt uns nach Rüdenau, einen beschaulichen Ort zwischen Spessart und Odenwald, wo unter der Ägide von Andreas Thümmler die St Kilian Brennerei seit Anfang 2016 aktiv ist und dabei schon ihren ersten Brand fertiggestellt hat. Die nach eigenen Worten größte Whisky-Destille Deutschlands, die seit 2012 originalgetreu unter den wachen Augen von Master Distiller David F. Hynes erbaut wurde, nutzt ausnahmslos heimische Zutaten, inklusive dem Braumalz, das – so ist es Brauch, so haben wir das auf unserer Getränkereise ja weidlich vor Ort in der Speyside bestaunt - in der hauseigenen Mühle geschrotet (alle zusammen: we call it the grist!) und anschließend gemaischt wird.Gebrannt wird das Ganze dann – ebenso stilecht - in eigens gefertigten kupfernen Pot Stills aus dem Hause Forsyths, so dass alle Voraussetzungen für einen echten German Single Malt noch schottischer Machart gegeben sein sollten. Bis wir uns davon überzeugen können, müssen allerdings bekanntlich drei Jahre ins Land bzw. ins Fass ziehen – aber damit sich die durstige Menge schon einmal einen ersten Eindruck verschaffen kann, gibt es ja die Abfüllungen als „New Spirit“. Dieses reine, ungelagerte Destillat darf sich natürlich noch nicht Whisky nennen und firmiert laut Flasche daher als „Getreidebrand“, der dem geneigten Verkoster in drei Varianten entgegentritt, die wir uns nun zu Gemüte führen wollen.
Der White Dog bietet dabei mit seinen 43% gewissermaßen das Basis-Modell. Auf der Flasche machen wir eine Losnummer aus, somit achtet man auch hier schon sorgsam auf ordentliche Reihung und Verfolgbarkeit. Im Glas steht der Brand kristallklar – offenkundig ist an der gerne verbreiteten Mär, der Whisky beziehe seine Farbe aus dem Fass, in der Tat etwas dran zu sein. Der erste Geruch versetzt einen sofort in ein Still House mitten in den Highlands: die charakteristische Note des frischen Brands, die Getreide- und Fruchtaromen stehen im Raum, fehlt nur die Hitze, die im Still House dazu herrscht. Und nun hinein in die Premiere: überraschend mild kommt er daher, der Hund, schmeckt naturgemäß nach Kornschnaps und Müsli, die metallische Jugend (der wir ja auch einmal angehörten) ist logischerweise zu konstatieren, gemischt mit Anklängen an Birne. Der Vertreter in Fass-Stärke legt da noch einen Zacken drauf: der White Dog Cask Strength bringt 63,5% ins Glas, was den Eindruck der Einsteigerversion nochmals potenziert. Lange bleibt der Kollege auf dem Gaumen, rinnt ganz langsam hinunter und hinterlässt einen spürbaren Abgang.
Der dritte im Bunde ist nun noch der Turf Dog, der immerhin auch mit 49,9% unterwegs ist und als Sonderedition dank getorftem Malz aus den schottischen Highlands mit einer rauchigen Note aufwartet. Die ist in der Nase schon deutlich zu vermelden, süß wie beim Schinken steigt das empor, und im Geschmack folgt dann die kleine Überraschung: die rauchigen Anklänge bringen diese Variante noch am nächsten an den Charakter heran, den der Kilians später einmal haben dürfte. Die phenolischen Züge erinnern uns dabei durchaus positiv an bekannte Vertreter dieser Schule wie etwa einen Laphroaig, was wir gerne konstatieren, während wir uns nun an den mitgelieferten Leckerlis laben: sowohl Kilians Marzipan als auch Schokoladentrüffel verbreiten wohliges Weihnachtsfeeling, was aufgrund der Temperaturen ja durchaus noch in Ordnung geht.
Nachdem die Brennerei selbst darauf verweist, dass sich die New Makes auch als Basis für Cocktails und sonstige Mischungen aller Art anbieten (und unter der Rubrik „Mixology“ auf der Website diverse Rezeptvorschläge bereithält), beginnen wir nun ein wenig zu experimentieren und fertigen uns zuerst einmal einen klassischen Whisky Cola. Der funktioniert mit der Basisvariante gut, mit dem Cask Strength weniger gut, bei dem die metallische Jugend doch stark zum Tragen kommt. Als nächstes erproben wir den White Dog 43 in einem caffè corretto, was als Kaffee mit Birnennoten durchaus spannend daherkommt – eine durchaus zu empfehlende Variation. Unsere improvisierte Cocktailbar geht mit einem Turf & Tonic in die nächste Runde – und auch wenn wir kritisch anmerken müssen, dass Schirmchengetränke aller Art nicht Metal sind, scheint uns diese Kombination am besten gelungen, da das Tonic Water die Rauchnote etwas im Zaum hält und uns das Ergebnis somit angenehm mild entgegentritt. Über weitere explosive Versuche breiten wir dann lieber den Mantel des Schweigens und konstatieren: spannend allemal, eine gute Vorahnung davon, was wir vom St Kilian in drei Jahren erwarten dürfen, und somit eine bereichernde Ausweitung unseres Tasting-Horizontes.
Online-Shop, Rezept-Tipps, Führungen und sogar auf Wunsch ein eigenes Whisky-Fass findet man hier:
www.stkiliandistillers.com
Runde 2: Bier aus der Schule
Nun wechseln wir kurz die Disziplin und springen zu unseren Freunden aus der craft beer-Fraktion. In dieser Szene tummelt sich ja so manches start-up, auch Studenten sind hier zu Gange, aber dass der Prozess des Bierbrauens auch bestes Anschauungsmaterial für eine neugierige Chemie-Oberstufe sein kann, diese Entdeckung blieb dann doch dem findigen Medien- und Gamification-Pionier Christopher Müller überlassen. Seines Zeichens Pädagoge am Gymnasium Neubiberg, brachte "der Herr Müller" nach gutem alten Lernprinzip die praktische Anwendung des zu Vermittelnden in den Vordergrund und fabrizierte mit einigen Eleven der Oberstufe seit Februar einen eigenen Sud, um auf diese Weise in der Nutzanwendung chemische Prinzipien wie pH-Wert-Messungen, Eiweißrast, chemische Gleichgewichte, Restalkalität, Alphasäuren und nicht zuletzt alkoholische Gärung höchst anschaulich zu erkunden. Damit das Ganze nicht endet wie zu Zeiten des Pennäler Pfeiffer, holte man sich mit Helmut Rank einen Brau-Profi an die Seite, der mit seiner Theresienbrauerei in Helfendorf diverse Sorten in Handarbeit herstellt. Nach einer Woche Hauptgärung und fünf Wochen Flaschengärung ist die Produktion aus Neubiberg naturgemäß durchaus überschaubar, deshalb behandeln wir die uns überlassene Flasche vorsichtig als Unikat und bestaunen die trübe Bernstein-Farbe, in der doch einiges an Gehalt zu sehen ist (filtern war nicht Teil des Experiments, passt also). Der Schaum im Glas ist reichlich, fällt aber schnell zusammen – das wird jedoch durch den sehr fruchtigen, typischen Hopfengeruch eines echten Kraftbiers mehr als wettgemacht. „Hopfen ohne Ende!“, konstatiert Ex-Abiturient Sebbes, „wie ein Fruchtsalat!“ Im Antrunk gibt sich das Q12-Bier dann ebenso hopfig, mit Bananen-Noten. Die Rezenz kommt uns angenehm leicht entgegen, der nicht anhaltende Nachtrunk teilt dann unser Lager: man einer macht eine bittere Note aus, der andere weniger. Unterm Strich bescheinigen wir hier allerdings gerne ein famos gelungenes Stück lebendigen Unterricht, nach dem sich die Fabrikanten den Genuss ihres Produkts mehr als verdient haben. Das schadet nicht und ist gesund – es ist ja „nooor ein wenziges Schlöckchen“.
Die hohe Schule des Bierbrauens am Gymnasium lässt sich hier nachverfolgen:
Runde 3: Rauch und Metal aus der Flasche
Das letzte Fähnchen auf dem Deutschlandreise-Spielplan (die älteren unter uns erinnern sich) befestigen wir nun an einem Punkt, den wir schon verschiedentlich aufgesucht haben, nämlich im schönen Freudenberg (welch ein Ortsname!), wo die Brennerei Ziegler den Aureum destilliert. Dass es von diesem Tropfen auch eine metallische Ausführung unter der Flagge Grave Digger zu bestaunen gibt, das haben wir schon verschiedentlich berichtet, und als man uns bei der Finest Spirits-Messe am Ziegler-Stand von einer neuen Variante berichtete, war unser Interesse natürlich mehr als geweckt. Wieder unter aktiver Mitarbeit der Band, insbesondere Gitarrero Axel „The real ironfinger“ Ritt, entwickelte man neben der bekannten sechsjährigen Aureum 1865 Grave Digger Edition nun auch eine rauchige Variante unter den klingenden Namen „The Bruce“. Das dürfte weniger auf einen gewissen Herrn Dickinson aus dem gleichen Metier, sondern eher auf den Schotten-König Robert I. - genannt the Bruce - abstellen, der seine Landsleute in die Unabhängigkeitskriege gegen die verhassten Engländer führte (damals ging das trotz Braveheart William Wallace noch schief, heute heißt das Referendum und könnte aufgrund der Brexit-Narretei endlich klappen). Das passt natürlich famos zum Schottland-Rebellions-Thema, das die Grabschaufler um Olle Bolle Boltendahl gerne besingen, und liegt damit also als Bezeichnung durchaus nah.
Auch optisch hat man sich einiges einfallen lassen: die Flasche kommt wieder in einer schicken Sarg-Verpackung, die sich der geneigte Metaller sicherlich gerne auf den heimischen Tresen oder auch ins Plattenregal stellt (ja, Platten sind wieder im Kommen, liebe Kinder, das sind diese komischen schwarzen runden Dinger, die Euer Papa von früher noch hat). Überhaupt läuft die crossmediale Marketing-Maschine durchaus rund, denn auch im aktuellen Grave Digger-Video „Lawbreaker“ spielt der Aureum eine zentrale Rolle: in einer wüsten Club-Konzert-Szenerie wird das Destillat da ausgiebig konsumiert, nicht zuletzt auch mit direktem Körpereinsatz à la Salma Hayeks Titty Twister-Einlage. Der Reaper selbst empfiehlt dies zum Abschluss zur Nachahmung, aber so weit wollen wir heute mal nicht gehen (Salma musste uns leider kurzfristig absagen, die Schlange hatte Schnupfen) – wir probieren den Bruce ganz brav aus dem Glas, wobei wir einen direkten Vergleich zur Basisvariante ziehen wollen.
Der sechsjährige Aureum 1865 Grave Digger steht gelbgold maisfarben im Tumbler und entfaltet sogleich den typischen zitruslastigen Getreidegeruch, den wir aus dem Hause Ziegler bestens kennen. Die Kastanienfass-Reifung macht sich im Geschmack bewährt mit Vanille, Nuss und Honig bemerkbar – ja, das ist er, gefällt immer wieder. „Ganz großer Sport!“, honoriert Christo-Fanclubleiter Sebbes nun die Sarg-Verpackung, bevor wir uns ein Tröpfchen vom "Bruce" einschenken, der nach fünf Jahren Lagerung in ex-Bourbon-Fässern 43% Gehalt auf die Waage bringt. Deutlich dunkler, rötlich, wie Kupfer steht er da, während der Rauch zwar unverkennbar, aber in keiner Weise übertrieben, sondern eher dezent in die Nase steigt.
Wir ziehen noch einen Riechvergleich gegen ein weiteres nicht rauchiges Destillat (Mittel der Wahl war hier ein Glenlivet) – da kommt die Rauchnote des Bruce dann doch deutlicher zum Tragen. Die Ziegler-typische Zitrusnote ist auch beim Bruce deutlich spürbar, im Geschmack machen wir dann deutliche Anklänge an Lakritze und Karamell aus und genießen den milden malzigen Charakter. Sehr angenehm, schön balanciert, auch wenn er ein Jahr weniger im Fass verbracht hat als sein großer Bruder, mit anhaltendem Abgang. Die schokoladigen Töne, die manch ein Tester ausmachte, können wir nicht vermelden, aber dennoch konstatieren wir gerne eine gelungene weitere Koproduktion zwischen Brennerei und Band. Und jetzt machen wir uns mal auf die Suche nach dem Club, in dem der Reaper selbst ausschenkt.
Wer wissen möchte, was der Reaper empfiehlt, schaut sich am besten das Video zu „Lawbreaker“ an...