Eine wilde Kinderstunde: wir fahren Bus mit den Children of Bodom, Forever Still und Oni

21.03.2017
Theaterfabrik München

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„Twenty Years down and dirty“ – ja, man mag ungläubig staunen, aber seit 20 Jahren kredenzt Alexi Laiho mit seiner Rasselbande nun schon melodisches Geschredde auf höchstem Niveau. Wenn die Kinder mit einem Klassiker-Set anrücken und dabei auch noch unsere Freunde von Forever Still mit im Tross fahren, dann steigen wir auch gerne ein. Türen schließen und festhalten!

Die Theaterfabrik in München gleicht einem Tollhaus, der Platz vor der Bühne scheint eine Art Dauer-Durchreiche für verwegene Gesellen zu sein – und die entrückte Menge sucht dabei permanent lautstark nach dem Zentralen Omnibusbahnhof München. So klingt es zumindest, wobei die Sprechchöre wohl doch eher „COB“ intonieren als nach dem ZOB zu verlangen, wie das Personenfernverkehrsexperte Sebbo konstatiert. Aber wir eilen voraus, springen wir doch zurück zum Beginn und kehren dann gerne wieder zu dieser Szene zurück.

Lange ist es her, dass Alexi Laiho und seine Bodenkinder uns beehrten, die Jubiläumstournee führt durch mehrere Ansetzungen in deutschen Landen (neben unserer schönen Landeshauptstadt tritt die Krabbelgruppe noch in Hannover, Stuttgart, Dresden und Berlin an), und die Setlist lässt großes vermuten: so sind wir doch ein wenig überrascht, dass zu Beginn des Geschehens eine eher überschaubare Menge in der Theaterfabrik in den Optimolwerken eintrudelt.

Sei’s drum, wir amüsieren uns noch ein wenig über den Zettel-Abriss, der aussieht wie ein Eintrittskarte zum örtlichen Schwimmbad, als die Kanadier von Oni ganz massiv loslegen. Die sechs wüsten Gesellen preschen ordentlich nach vorne und legen dabei relativ wenig Wert auf Eingängigkeit: angesagt ist eine Art progressiver Death, der mal ballert, mal melodisch wirkt und technisch immer auf höchster Komplexitätsstufe abläuft. Neben Frontgrunzer/sänger Jake Oni bietet dabei Johnny D den Blickfang, der mit ca. 10 bommelbewehrten Klöppeln auf ein Xylophon (ja genau, das Ding, das wir in der Grundschule bedienen mussten) eindrischt, als ob er Themen zu verarbeiten hätte. Das groovt zweifelsohne, klingt bisweilen ein wenig nach Five Finger Death Punch, die Darbietung mit kollektiven Hüpfattacken hat man bei Slipknot gesehen, und die Saitenfraktion frickelt sich regelmäßig den Wolf. „Einfach mögen die es nicht“, stellt Musiktheoretiker Sebbes treffend fest, als nach 25 Minuten der progressive Sturm vorüber ist. Ach ja, und meine beliebte Frage, wer oder was ein Oni ist, lässt sich auch beantworten: das ist in der japanischen Mythologie wohl ein boshafter gestaltwandlerischer Dämon. Again what learned!

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In der kurzen Umbaupause fragen wir uns, wie denn unsere Bekannten von Forever Still da hineinpassen sollen: Maja Shining, die wir im Vorfeld zu einem Plausch trafen, und ihr Kollege Mikkel rühren ja keinen Schlagetot-Sound, sondern eher eine Mischung aus melodischem Metal an. Während die Herrschaften selbst beim Aufbau Hand anlegen, konstatieren wir, dass sich die Lokalität nun doch zusehends füllt, so dass zu den ersten Takten von „The Last Day“ eine ansehnliche Zuschauerschar notiert werden darf. Nach einer bemerkenswerten Transformation (eben noch unsere sehr höfliche Interviewpartnerin, jetzt Fronterin mit massiver Bühnenpräsenz, Kriegsbemalung und Oberteil direkt importiert aus Senkelhausen) steigt Maja Shining beherzt ins Geschehen ein, ihr Partner Mikkel Haastrup tigert und springt über die gesamte Bühne, und auch insgesamt scheint der Sound und die Darbietung drückender und aggressiver als bei ihrem Gastspiel mit Lacuna Coil im wohnzimmergroßen Strom letztes Jahr. „Wie geht’s München?“, begrüßt die Dame nun die Schlachtenbummler, die das Geschehen nach anfänglicher Zurückhaltung zunehmend goutieren und sich die durchaus einzigartige Kreation aus groovigem Metal, kraftvollem Gesang, elektrischen Elementen und teilweise erheblich verzerrten Bass-Läufen immer mehr gefallen lassen. „Miss Madness“ brilliert wie stets, ebenso wie das fast zerbrechliche, atmosphärische „Tied Down“, bei dem sich auch der Gastgitarrist, den sich Maja und Mikkel an Bord geholt haben, gut in Szene setzen kann. „How do you feel we speed things up a bit?“ Diese Frage kann man sich bei diesem Publikum eigentlich sparen, und so läuft “I’m Out” mit massive Bass-Linien bestens rein. Nach dem hervorragenden „Once Upon A Nightmare“ biegen sie dann langsam in die Zielgerade ein – „We love you!“, schallt es da aus der Menge, Maja antwortet höflich „We love you too!“ und legt dann zu „Scars“ (elektronische Einsprengsel inklusive) eine illustre Choreographie auf die Bretter (Hände hoch, Hände runter). Nach 30 Minuten ist die Sause vorüber, man verabschiedet sich und eilt zum Merchandise-Stand, wo noch gute Gespräche und Foto-Gelegenheiten warten. Wie immer eine famose Leistung dieser Kombo, dessen kommende zweite Platte man unbedingt im Auge behalten sollte.

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 Jetzt gibt es dann doch ein größeres Neuarrangement, man rollt ein neues Schlagzeug herbei, die Reihen verdichten sich merklich, und nach kurzer Künstlerpause setzt dann ein dräuendes Gewitter-Intro ein. Fast schon genüsslich marschiert Klassensprecher Alexi dann auf die Bühne, postiert sich mittig, wir können gerade noch die wie gewohnt schwarz lackierten Fingernägel bestaunen, als es dann mit „Deadnight Warrior“ sofort von null auf hundert losgeht. Sofort ist der typische COB-Sound  im Raum, die Kreissägen-Riffs, die unglaublich präzisen Melodie-Attacken und über allem Alexis wütendes Keifen. Die Menge geht sofort steil, und nach „In the Shadows“ begrüßt uns Zeremonienmeister Laiho wie gehabt schüchtern: „How the fuck are we doing tonight?“ Das sei ein spezieller Abend, erstens sei man schon lange nicht mehr da gewesen, und zweitens seien sage und schreibe zwanzig Jahre ins Land gezogen, seit man den Erstling „Something Wild“ auf die Welt losgelassen habe. Das muss gefeiert werden, so viel steht fest, und womit könnte man das besser als mit dem nun folgenden „Needled 24/7“? Mit dieser Nummer haben sie ja seinerzeit sogar mich vereinnahmt, der ich ja nun wirklich nicht auf die extreme Gangart spezialisiert bin – aber eine derartig versierte Technik, aggressive Hochgeschwindigkeitspräzision und dabei noch unentrinnbare Eingängigkeit, das konnte selbst ich dann nicht mehr links liegen lassen. Auch heute überschlägt sich das Stück fast, die Sympathisanten drehen am kollektiven Rad, und Alexi zelebriert die rasenden Soloeinlagen wie gehabt mit aufgestützter Gitarre und verblüffender Leichtigkeit. Seine Formation versieht die Dienste genau und zuverlässig, Daniel Freyberg bearbeitet seinen 6-Saiter virtuos, während Basser Henkka Seppälä irgendwie dreinschaut, als ob er das Ganze aus der Distanz beobachtet. Zupfen tut er aber ordentlich, keine Frage. Zurück in der Zeitmaschine geht es nun zum „Hatebreeder“-Album, mit einem Stück, den man „in your city“ noch nie live gespielt hat: „Black Widow“ gefällt dennoch auf Anhieb mit flirrenden Soli und Melodien. War die Stimmung bislang schon gut, fliegt der Deckel spätestens jetzt vom Schnellkochtopf: bekanntlich darf man sich bei dieser Kombo bei jedem Song, der den Bandnamen im Titel trägt, auf ein Glanzstück freuen, und als die ersten Takte von „Lake Bodom“ ertönen, rastet die Gemeinde folgerichtigerweise vollständig aus. Der Moshpit nimmt mehr oder weniger den gesamten Innenraum ein, die Crowdsurfer werden quasi auf dem Laufband durchgereicht und springen kurz danach wieder munter ins Geschehen. Oben zelebrieren Alexi und Konsorten den Signatur-Song vom Debut regelrecht, mit allen Markenzeichen, die auch nach zwanzig Jahren frisch wie am ersten Tag klingen. Neben „Needled 24/7“ ganz klar das Glanzlicht des Abends. Auch bei dem im Vergleich eher getragenen, aber dennoch tonnenschwer groovenden „Angels Don’t Kill“ fliegen die Haar-Rotore, die Darbietung ist auf den Punkt, Alexi marschiert zu den Harmonie-Teilen zu Keyboarder Janne Wirman (der im Verlauf des Geschehens diverse Bouteillen eines seltsamerweise hierzulande populären Biers mit angeblichem Tequila-Geschmack leert) und feiert die Melodien standesgemäß.

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Nach „Red Light In My Eyes“ (einem weiteren Rückgriff auf den Erstling) ballert dann „Hate Me!“ alles nieder, während Alexi uns den astreinen Metal-Paginini macht. Und dabei sogar einen Zacken zu virtuos vorgeht, da er nach einem Schlenker ordentlich auf dem Bühnenboden landet. Der Meister nimmt‘s mit Humor: „Well, I knew it was going to be a special night. What I did not know is that I was going to land on my ass.” Da lässt sich das Publikum nicht lumpen und trumpft zu “Downfall” mit einer astreinen Wall of Death auf: einfach Mixer einschalten, Leute hineinwerfen, und los geht die wilde Reise. Puh! Und das bei einer durchaus beachtlichen Anzahl holder Weiblichkeit, die auch Keyboarder Janne konstatieren muss (und die mich immer wieder zur Frage bringt, wo die Damen denn früher waren, da waren die Lager ja klar geteilt in Männer/Metal und Frauen/Disco): „Danke an die Mädchen!“, ruft er in passablem Deutsch, und fügt gleich an: „Sagt dem Lichtmann mein Popo brennt. Licht zu heiß!“ Ob wir denn jetzt noch Lust auf etwas wirklich heavy hätten, fragt uns Alexi, als ob das bisher nur ein laues Lüftchen gewesen sei. Aber klaro, wir sind dabei, und mit der Hyme von der „Hate Crew Deathroll“ (was ist eigentlich eine Missgunstvereinigungstodesrolle?) bekommen wir dann auch prompt die Vollbedienung. Brachialität mit Stil, gewissermaßen. Krass. So rast die Sause langsam ihrem Ende entgegen, „Bed Of Razors“ und das absolut herausragende „Children Of Decadence“ beenden den regulären Set, aber zu „The Nail“ und „Towards Dead End“ kommen sie nochmal wieder. Wir eilen geschwind zum Merchandise-Tischlein, wechseln noch einige Worte mit Maja und Mikkel und stellen fest: ein rundum gelungender Abend, der ganz gepflegt in den Allerwertesten getreten hat. Die Rasselbande ist fast schon erschreckend frisch, das Material rostfrei – finnische Maßarbeit eben.