Blaues Feuer im Club: Arch Enemy fegen durch das Colos-Saal
/Arch Enemy, Colos-Saal Aschaffenburg
04.08.2016
Gitarristen mit roten Haaren! Hübsche Rottweiler mit blauen Haaren! Sensationen mit vielen Haaren! Das melodische Abrisskommando um Saitenhexer Michael Ammot eilt mittlerweile zu immer neuen Höhen: Arch Enemy sind auf so ziemlich jedem Festival anzutreffen, das eine bespielbare Bühne zu bieten hat (Wacken, Metal on the Hill, Brutal Assault, nennt irgendeine Sause, sie sind dabei), und weil das nicht genug scheint, ziehen die Herrschaften noch eine Clubtournee durch, die sich gewaschen hat. Als die melodischen Deather auch im beschaulichen Aschaffenburg vorbeischauen, ist unser Auslandskorrespondent Bernd Bachmann mit virtuellem Stift und Fotogerät vor Ort, um uns seine Eindrücke mitzuteilen. His Apocalypse is here!
Das Aschaffenburger Colos-Saal hat sich längst einen Namen als kultige Austragungsstätte für konzertante Events aller Art gemacht – quer durch die Bank werden in dem Club mit wohliger Atmosphäre und Künstlerfotos an der Wand durchgehend gute Ansetzungen geboten, die auch heute wieder ihrem Ruf alle Ehre machen. Der Saal ist schon gut gefüllt, wenn auch nicht ganz ausverkauft, als die deutschen And Then She Came die Bretter entern. Diese Herrschaften kennen wir doch: genau, das ist niemand anders als die Symphonic-Formation Krypteria unter anderer Flagge. Bassist Frank Sturmvoll hat dieses Projekt seit 2016 am Laufen, und nachdem sich im Hause Krypteria selbst nichts Großes rührt, ist das ja auch gut so. Sängerin Ji-In Cho macht auch in dieser Ausgabe eine gute Figur, wobei der Sound mit dem symphonic Rock des Vorgängers nicht viel gemein hat – geboten ist viel mehr sehr gute Rockmusik, die die Band selbst schlicht „Modern Rock“ nennt und man nicht in ein spezielles Raster einreihen kann. Die Menge goutiert das schon einmal und harrt der Dinge.
Die kommen dann in Form der Hauptattraktion mit der gewohnten brettharten Urgewalt. Mit „Yesterday Is Dead And Gone“ steigen sie wieder mit dem üblichen Opener auf der "War Eternal"-Tournee ein und gehen dabei wie immer zu Werke: schnell, professionell, kein Schnickschnack, keine Individualisten-Einlagen, nur volle Energie. Und dabei immer diese unglaubliche Präzision der Rhythmusfraktion und vor allem der Gitarrenhelden Ammot und Loomis, die die Riffs so messerscharf sägen, dass eine nur eine Art hat, nur um rasende Melodien und Harmonie-Attacken hinterherzupfeffern. Aber Blick- und Ohrenfang ist natürlich wieder der blaue Springteufel Alissa White-Gluz, die sich seit ihrem Einstieg 2014 mehr und mehr zum Aushängeschild der Band mausert.
Während die weiteren Granaten wie „Burning Angel“ und der Titeltrack „War Eternal“ bei uns einschlagen, sinnieren wir ein wenig darüber, dass die metallische Welt anfangs naturgemäß skeptisch war, ob die blauhaarige Grazie denn wirklich die Grunzstärke einer Angela Gossow erreichen könnte. Sie kann, meine Herrschaften, sie kann, mit dunklem Elfenanzug und massivem Stageacting trägt sie einen maßgeblichen Anteil daran, dass Arch Enemy angesagter sind denn je und auf den Bühnen überall anzutreffen. Alissa zeigt auch heute abend wieder vollen Einsatz, von ihrer Zeit als Kamelot-Backgroundsängerin wissen wir ja, dass sie auch eine durchaus liebliche Stimme ihr eigen nennt, aber das bekommt der geneigte Hörer kaum mit, weil fast ausschließlich brachial aber wunderbar gebrüllt wird.
Steuerknüppel wie das epische „My Apocalypse“, das etwas weniger heftig angehauchte „Stolen Life“ und vor allem die Mega-Enemy-Hits „Under Black Flags We March“ und „Bloodstained Cross“ schicken sich an, das Colos-Saal erbeben zu lassen, und die Menge gerät zunehmend aus dem Häuschen. Einziges Problem - die teilweise ja durchaus anspruchsvollen Texte sind vor lauter Grunz und Vollspeed kaum zu verstehen. Sei’s drum, das wissen wir ja, und deshalb feiern wir die anderen Glanzlichter vom Schlage eines rasenden „As The Pages Burn“ und des ja fast schon relaxt swingenden „No Gods, No Masters“ gebührend ab.
Nach „We Will Rise“ ist erst mal Schicht im Extrem-Schacht, aber mit „Blood On Your Hands“ geht’s allerdings sogleich weiter, und auch der Zugabenblock hat es dann unter anderem mit „Nemesis“ gewaltig in sich. Hossa, was eine Fahrt auf dem Express-Zug! Der Menge hat es sichtlich ausnehmend gefallen, die Stimmung kochte maximal - das Ganze lebt natürlich auch vom Blauschopf an sich als irgendwie verstörend attraktiver Frau. Man darf sich fragen, ob mit einem Mann in Grunzdiensten der Erfolg ebenso wäre, aber das lassen wir mal dahingestellt. Wir ziehen dagegen das freudige Fazit: War gut und absolut sein Geld wert.