Wir feiern Geburtstag mit Edguy
/24.09.2017
Backstage München
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Der Conferencier auf der Bühne vermittelt dem Publikum bei bester Gemütsverfassung, dass dies hier heute wahrlich ein perfekter Abend sein muss. Der Raum ist brechend voll mit fröhlichen Menschen, das Wasser tropft von der Decke auf die Bühnenbretter und man könnte hier fast ausrutschen, stürzen und sich die Nase brechen… Aber bevor wir dazu kommen, drehen wir die Zeit erst noch einmal etwas zurück und schauen kurz nach Berlin, wo am Mittag zuvor Flugreiseleiter Holgi gerade noch alles versucht, um trotz gestrichenem Air-Berlin-Flug nach München zu kommen, um mit dem kleinen Herrn Sammet 25-jähriges Jubiläum zu feiern. Das klappt natürlich nicht (danke, Air Berlin!) und so darf Haus- und Hoffotograf Sebbes auch endlich mal wieder zum Füllfederhalter greifen und von diesem denkwürdigen Abend berichten.
In dementsprechend verminderter Personenzahl kämpfen wir uns an diesem Abend wieder schneckenhausförmig durch das Labyrinth zwischen S-Bahn und Backstage, um am Ziel angekommen schon vor der ersten Band The Unity ein prall gefülltes Backstage Werk vorzufinden. (Toby wird später “Ausverkauft und 1400 Seelen im Raum” vermelden - allerdings gab’s trotzdem noch Tickets an der Abendkasse, aber wir verzeihen das).
Unity - Unity... Mit The Unity eröffnet den heutigen Reigen eine Kapelle, die amtlichst loslegt, mir aber bis dato völlig unbekannt geblieben ist. Dachte ich zumindest, denn spätestens bei dem formidablen Cover von Gamma Rays “Send Me a Sign” wurde klar, was da im Busch ist. Tatsächlich stehen hier Gamma Rays Recken Henjo Richter (Klampfe) und Michael Ehrè (Trommeln), verstärkt von einem stattlichen und gut gekleideten italienischen Vokalisten (Gianba Manenti), auf der Bühne und hauen eine geballte Ladung fröhlichen Hardrocks raus. Ja, genau, das ist das Feeling, das hier aufkommt. Viel weniger der straighte Teutonenstoff, den die Gammastrahler normalerweise fabrizieren, dafür bodenständiger, melodisch groovender Hardrock mit Einschlägen von Bon Jovi und Van Halen, der schnell gute Laune im Publikum versprüht. Einprägsame Mitsingsongs wie “Rise and Fall”, “No More Lies” oder die mächtige Hymne “Never Forget” am Ende des Sets bereiten den Weg, den Edguy hier später weitergehen, ausgezeichnet vor. Nicht schlecht, Herr Specht.
Doch nun wird es Zeit für den eigentlichen Grund, warum wir uns hier und heute eingefunden haben. Gratulation, die Herren… 25 Jahre sind die Buben aus dem hessischen Fulda nun unermüdlich unterwegs, haben dabei zehn Alben (ohne das ganze Avantasia-Zeug, wohlgemerkt) unter die Menschheit gebracht, die ganze Welt bereist, aber erwachsen sind sie und allen voran Fronter Tobias Sammet dabei nicht geworden. Ganz im Gegenteil, wie ein kleines, aufgeregtes Kind wirbelt er in seinem Fräckchen über die Bühne und reißt einen Kalauer nach dem anderen. Nach dem energetischen Anfangstripel aus “Love Tyger” (fett), “Vain Glory Opera” (wie geil) und “Mysteria” (Hammer) wird schnell klar, so viele Hits kann nicht jede Kapelle vorweisen. “Neue Scheiße, alte Scheiße, mittelalte Scheiße”, das alles soll es heute noch zu hören geben. (Diese Art Antianglizismen gefallen den Machern dieses Magazins besonders. ;-)) Also weiter im Programm... Während Toby dem Publikum Komplimente macht, an den Nachwuchs Plektren verteilt und die Eingangsgeschichte vom Ausrutschen erzählt, (wisst ihr eigentlich, dass Herr Sammet 2012 von der Bühne des Bang Your Head gesegelt ist und sich dabei eben diesen Zinken gebrochen hatte? Was ihn natürlich nicht daran hinderte, das Set noch zu vollenden) reisen wir musikalisch durch das Land der Wunder (“Land of the Miracle”) und haben enormen Spaß mit der Toilettenliebesmaschine (“Lavatory Love Machine”, die Geschichte erzähle ich jetzt nicht… googelt selber!), nur um beim 12-minütigen, Ronnie James Dio gewidmeten “The Piper Never Dies” anzukommen. Und wahrlich, wenn man genau hinhört, kann man durchaus Parallelen zu der Rock-Legende aus dem Mammutwerk heraushören.
Was fehlt? Klar, Schlagzeugsolo, Singspiele rechts, links, alle und wieder von vorne, und ob man Erlangen kenne. Franken wären ja keine Bayern, konstatiert Toby, und dass Gesellschaft spalten ja gerade in sei. Mit einem gefälligen “Mensch, ihr seid doch alle Menschen” löst sich das aber zumindest hier und heute schnell wieder alles in Wohlgefallen auf. Weiter im Text… Von nun an geht’s Schlag auf Schlag und dementsprechend Hit auf Hit. Entzückt, wie toll das Münchner Publikum das Geschehen auf der Bühne goutiert, hauen uns Edguy “Tears of a Mandrake”, “Ministry of Saints” und die Ballade “Save Me” um die Ohren. Letzteres taucht den Saal in ein Handylichtermeer, während es von der Bühne “Das ist ja wie bei U2” tönt. Mann, haben Edguy eigentlich mal einen schlechten Song gemacht? Toby versucht sich selbst an einer Antwort: ”Viele denken ja, dass wir inzwischen gar keine Metal-Band mehr sind… böse Zungen behaupten, dass wir nie eine waren…
Aber irgendwann standen wir vor der Wahl: entweder verhungern oder Platten verkaufen!” Wir stimmen zu, sind froh, dass Platten gemacht wurden und nehmen mit Staunen die erfrischende Selbstironie wahr. Weiterhin bekommen wir erklärt, dass es mal eine Zeit gab, da wollten Edguy so wie Helloween klingen, was nicht schlimm war, da Helloween ja irgendwann selbst nicht mehr nach Helloween klangen. So sprach’s und man feuert das Epos “Babylon” sowie “Out of Control” aus den Boxen. Herrlich! Kann da jetzt noch was kommen? Die Jungs lassen sich nicht lange um eine Zugabe bitten und ja, sie haben ihre Hits immer noch nicht verspielt... “Superheroes” lädt noch mal zu gemeinschaftlichem Klatschen und Singen ein und “King of Fools” entlässt uns dann mit einem Ohrwurm im Kopf auf unseren “Wicked Way” nach Hause, denn jetzt ist leider, leider wirklich Schicht im Schacht.
Was für ein Abend! Fast zwei Stunden Edguy, wenn das mal kein anständiges Oktoberfestalternativprogramm ist. Man kann es drehen und wenden, wie man will, mögen oder nicht mögen, aber Edguy ist eine absolute Ausnahmegruppe mit einem absoluten Ausnahmesänger (hab ich da Rampensau gehört?) und einer schier unglaublichen Menge an astreinen Gassenhauern. Und live immer eine sichere Bank, so wie auch heute. Wir trinken einen auf die nächsten 25 Jahre. Happy birthday, Edguy!!!!