Wir zelebrieren die einzig wahre Metal Messe in München: Powerwolf, Epica und Beyond the Black in der Tonhalle
/22.01.2017 Tonhalle München
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Ein hübsches Rudel war da unterwegs, fürwahr – mit Frontelfen und freudigen Finsterlingen gemeinsam am Start. Wenn Powerwolf zur vergeistigten Feierlichkeit laden und dabei auch noch äußerst attraktive Unterstützung mitbringen, dann könnt ihr kurz raten, wo wir sind. Volle Punktzahl: vorne dabei.
„Vielen Dankeschön, meine Freunde!“ Diesen gewohnt launigen Spruch kann Attila Dorn an diesem Abend gleich mehrfach äußern, unter anderem für eine ausverkaufte Hütte – und das, obwohl man gar kein neues Material mit am Start hat. Denn obwohl Powerwolf schon im Oktober 2015 mit der Langrille „Blessed And Possessed“ in unseren Breiten unterwegs waren, auch die Festivals der Republik beehrten und die Auftritte beim Summer Breeze und Masters Of Rock auf eine Live-DVD namens „The Metal Mass“ bannten, lassen sich die Kollegen in keinster Weise davon abhalten, einfach nochmal auf Gastspielreise vorbeizuschauen. Und ebenso wenig lassen sich die Schlachtenbummler verdrießen: die Ansetzung musste vom Backstage in die größere Tonhalle verlegt werden, so groß war der Zuspruch.
Den sehen wir auch beim Einlass, wo sich zu deutlich früher Stunde (18.30, meine Herrschaften!) doch schon eine beachtliche Menschentraube bildet. In der Halle setzt sich dieses Bild dann fort, nachdem man aufgrund der arktischen Temperaturen ja nur eingepackt wie das sprichwörtliche Michelin-Männchen überlebt und die Garderobe derart belagert wird, dass sich die entsprechende Schlange ein paar Mal durch die Halle windet. Als um Schlag 19 Uhr dann die Sause beginnt, stehe ich noch einige Meter von der Kleiderkammer entfernt, Entkleidungskünstler Sebbo wirft mir seinen Umhang in die Hände und rast nach vorne, um zu den ersten Klängen von Beyond the Black an fotografisch passendem Ort zu sein. Diese Kombo aus Mannheim (die unter anderen auf dem letztjährigen Rockavaria zu bestaunen war) durfte sich ja einiges anhören, als nach dem durchaus beachtlichen und Kommerz-Medien-gehypten Erfolg des Erstlings „Songs Of Love And Death“ kurz nach der zweiten Veröffentlichung „Lost In Forever“ die gesamte Besetzung um die schmucke Sängerin Jennifer Haben kurzerhand ausgetauscht wurde. Ob das nun eine „richtige“ Band oder eher eine Designer-Veranstaltung ist, das lassen wir einfach mal dahingestellt – Tatsache ist, dass die neuen Herren um die liebe Jennifer ihr Handwerk verstehen und die Dame selbst an Stimmgewalt nichts eingebüßt hat. Mit „Lost In Forever“ setzt es gleich einen ordentlicher Opener, das folgende „Hallelujah“ schlägt dann etwas ruppigere Töne an, bevor dann mit „Night Will Fade“ das Stückchen folgt, das den Titelsong zur Sat 1-Historien-Schmonzette „Die Ketzerbraut“ liefert. Also, zur viel beschworenen street credibility trägt so etwas natürlich nicht bei, aber andererseits haben die Kollegen derart blitzsaubere Kompositionen am Start, dass der geneigte Freund von Within Temptation und anderen Symphonic Female Fronted Rüschenkleid Bands gar nicht anders kann als das Gebotene durchaus zu goutieren. Zu ihrem ersten Hit „In The Shadows“ herrscht folgerichtigerweise allgemeiner Mitsingalarm, und zu „Shine And Shade“ macht uns Gitarrero Chris Hermsdörfer (den Fahndungsfoto-Besitzer Sebbes anfangs dringend bei Delain platzieren will, der aber tatsächlich auch bei Serenity aktiv ist) noch den astreinen Grunzer. Nach dem flotten „Running To The Edge“ verabschieden sich die Herren um die wie immer in Schwarz gekleidete Jennifer nach exakt 30 Minuten von uns – ein fescher Auftakt, der trotz zweifelsohne kalkulierter Machart zu gefallen weiß.
Der geartete Zweifel sind bei Epica natürlich gänzlich fehl am Platze: Simone Simons und ihre Freunde gehören seit Jahren fest zur Frontelfen-Szene, die sie mit ihrer progressiven Spielart der symphonischen Gangart ebenso bereichern wie durch ihre charismatische Frontfrau. Die legt sich von der ersten Sekunde an gewaltig ins Zeug, schüttelt die rote Mähne und feuert den Opener „Edge Of The Blade“ mit Schmackes heraus. Das Bühnenbild steht ganz im Zeichen der aktuellen Scheibe „The Holographic Principle“, wie leuchtenden Prismen und anderen sinnverwirrenden Formen („das ist aber kein Feng Shui“, bemängelt Sensei Sebbo). Fast schon holographisch wirkt auch Keyboarder Coen Janssen, dessen Arbeitsgerät komplett beweglich ist und es ihm erlaubt, im Verlauf des Abends launig hinter dem Schlagzeug vorbeizufahren und mal rechts, mal links am Bühnenrand aufzutauchen. Die Meute geht dabei sofort steil und feiert die komplexen Stücke der Niederländer nach allen Regeln der symphonischen Kunst ab, während Simone uns in mehr als nur passablem Deutsch anfeuert: „Zeigt mir Eure Pommesgabeln!“ Die rote Zora, heute Abend adrett als Streifenhörnchen gekleidet, komplett mit Stiefeln bis zur Halskrause, führt elegant weiter durchs Programm, das mit „The Essence of Silence“ und „Cry For The Moon“ weitere Juwelen darbietet, die sogar ein wenig mit der Materie vertrauter Wicht wie ich sofort begeistert mitsingen kann („forever…and ever!“). Haute Couture-Kenner Sebbo kommentiert einstweilen, Simone schreite wohl aufgrund des zu engen Rockes nur bedächtig, aber durch permanente Haar-Rotor-Attacken am geschwungenen Mikro-Ständer macht die Holde das mehr als wett. Zu „Unchain Utopia“ hält es Herrn Janssen denn endgültig nicht mehr am Arbeitsplatz: mit gebogenem Umhänge-Keyboard springt er nach vorne und greift direkt an der Bühnenfront in die Tasten. Nach einem sehr mächtigen „Beyond The Matrix“ setzt dann „Consign To Oblivion“ nach 90 Minuten den Schlusspunkt unter ein furioses set, mit dem Epica ihren Stammplatz in der europäischen symphonischen Phalanx eindrucksvoll festigen. Fein!
Effizient und emsig baut man nun die Spielstätte um, um den Schauplatz für das zu bereiten, was der ebenso stimm- wie leibesvoluminöse Attila stets als „einzig wahre Metal Messe in Euuurrrropa!“ ankündigt. Pünktlich wie die Maurer (oder die Baumarkt-Abteilungsleiter aus dem Saarland, das passt besser irgendwie) springen die Recken und Chart-Stürmer von Powerwolf denn auch hervor und legen mit einem krachigen „Blessed And Possessed“ standesgemäß vor. Auch wenn man die Herren schon mehrfach begutachten konnte (und bei der Schlagzahl der Live-Ansetzungen lässt sich dies ja schwerlich vermeiden), macht die schiere Spielfreude, Energie und das selbstironische Augenzwinkern der Vampir-Werwolf-Geister-Prediger-Inszenierung immer wieder Freude. Mit einem forsch lospreschenden „Army Of The Night“ poltern sie frohgemut weiter, das Arrangement in bewährter Manier: die Gitarreros, beide auf den lustigen Rufnamen Greywolf hörend, posieren rechts und links von der Bühne, Attila zelebriert in Priestergewand nebst Kelch, und im Hintergrund versieht Falk Maria Schlegel die orchestralen Orgeldienste – aber natürlich hält es ihn nicht lange hinter seinem Gerät, alsbald stürmt er wie gewohnt den Bühnenrand und fuchtelt, bangt und wedelt sein Gewand, dass es eine Art hat. „Es ist uns eine Freude heute Abend hier zu sein, und das noch dazu bei voller Hütte!“, führt Herr Dorn nun in seinem spaßigen pseudo-Rumänisch aus, gut 2.200 Schlachtenbummler seien an Ort und Stelle, was ein schneller Blick durch die Tonhalle durchaus bestätigen kann. „Amen & Attack“ drückt das Gaspedal weiter voll durch, und schon jetzt ist klar, dass es sich – wieder einmal – gelohnt hat, dem Bauer Wolf einen Besuch abzustatten.
Das freche „Coleus Sanctus“ spielt die Kirchenmusik-Karte genüsslich aus, bevor dann mit „Dead Boys Don’t Cry“ der erste schwache Song an den Start geht. „Sacred And Wild“ groovt dafür dann standesgemäß heavy durchs Unterholz, und man kommt mit den Umstehenden ins Gespräch – so etwa beteuert mir ein launiger Vertreter, angesprochen auf seinen schwarzen Strickpulli, der sei nicht von Muttern, sondern ein echter Roggenroll-Pullover. Nun, das nehmen wir dann so hin und bestaunen die Publikumsreaktionen, wo es teilweise die ersten Pits setzt. Beim eher gemächlichen „Kreuzfeuer“ beweist Herr Dorn dann, dass sein mächtiges Organ einen nicht geringen Anteil zum Erfolg der Powerwolf-Rezeptur beisteuert, und beim tiefrot atmosphärischen „Let There Be Night“ lassen sich die Crowdsurfer dann en masse nach vorne durchreichen (macht man das nicht eher bei schnelleren Nummern? Nun denn, wie ihr meint). Schmackig zur Sache geht es weiter, mit den üblichen „Hu! Ha!“-Chören trampeln dann die „Werewolves Of Armenia“ über uns hinweg, die live immer einen schlanken Fuß machen. Die Zeit vergeht buchstäblich wie im Fluge, und so schauen wir durchaus verdutzt, als nach einem ordentlichen Rumms, zu dem natürlich auch die Rammel-Hymne „Resurrection by Erection“ gehört, die Sause schon vorbei ist. Nachdem wir die Halle gerne in weniger als 120 Minuten räumen würden, reihen wir uns schon einmal in die Garderobenschlange an, als die Herrschaften nochmals zurückspringen und das immer wieder gern genommene „Sanctified With Dynamite“ heraushauen – und das klingt nicht nur sehr gut, sondern sieht aus dem hinteren Hallendrittel beobachtet auch noch sehr beeindruckend aus. Großes Kino, liebe Wölfe – aber jetzt wird es dann doch mal Zeit für ein neues Album. Oder auch nicht, wir kommen in jedem Fall nächstes Mal wieder vorbei.