Straßen in Flammen – zumindest im Geiste: wir wandern über das Street Life Festival
/In schöner Regelmäßigkeit lockt das Street Life Festival Unmassen von Schau-, Ess- und Trinklustigen auf die doch beachtliche Strecke zwischen Odeonsplatz bis hoch zur Münchner Freiheit. Geboten ist dabei immer ein spaßiger Mix aus Sachen zum Anschauen und auch Genießen – zunehmend auch aus den Gefilden der Craft Beers, Spirituosen und sonstigen Leckereien, die wir gerne probieren. Grund genug also für Kühles Zeug, einen Streifzug durch das Münchner Straßenlebenfest zu unternehmen und dabei so manches zu entdecken.
Aber zuerst gilt es, einem Brauch zu frönen: vor dem Besuch des Street Life will es die Tradition, dass wir das Ottostraßenfest im beschaulichen Ottobrunn aufsuchen. Dort tummeln sich wie immer Anfang September die üblichen örtlichen Gastronomen, Ladenbesitzer und vor allem auch Vereine und buhlen um die Gunst des vorbeischlendernden Publikums. Wegen der Sahara-mäßigen Temperaturverhältnisse marschieren wir zielgerichtet zur Halle der Freiwilligen Feuerwehr, wo die Firefighters aus der Ottobronx ihre Gerätschaften vorführen und vor allem St. Florians Biergarten betreiben. Nach einem feinen 1605er Weißbier aus dem Hause Oberbräu schauen wir natürlich auch noch bei den rührigen Burschen vorbei, bei denen wie immer a Fetzengaudi angesagt ist, bevor wir uns dann endgültig Richtung Innenstadt begeben.
Wir starten am Odeonsplatz, wo sich wie bewährt die eher trendige Öko-Ecke findet. Elementar scheint hier die Versicherung, dass wirklich alles und jedes Vegan ist: vegane Würstchen, Döner – wir sind sicher, dass auch die Schürzen des Standpersonals vegan hergestellt sind. Wir wandern beruhigt weiter und kommen nach kurzer Zeit auch gleich beim ersten Craft Bier-Stand vorbei: Maisel And Friends bieten hier eine bunte Palette ihrer Kreationen an, vom eher gängigen Bayreuther Hell und dem putzigen Löschzwerg hin zu originellen Ideen, die wir gerne testen. Das goldgelbe Pale Ale schmeckt uns mit einem ausgeprägt hopfigen Aroma schon einmal bestens, während wir mit den Kollegen ein wenig plaudern und unter anderem erfahren, dass Oberfranken mit über 600 Bieren die höchste Brauereidichte der Welt zu bieten hat. Die Freunde stammen aus dem ja nicht unbekannten Hause Brauerei Maisel, die man durch ihr Weißbier im Ohr hat und nun eben auch eine Nische für Kraftbier führt. Einen echten Hit hat man mit der Citrilla am Start, einem hübschen Crossover aus Weißbier und amerikanischem IPA, das enorm fruchtig daherkommt und nach Ananas und Limette schmeckt, während das „normale“ IPA das typisch bittere Hopfenaroma fein balanciert. Wir holen uns noch einige Tipps für einen gastronomischen Streifzug durch Bayreuth, wo uns das Craft Beer Restaurant Liebesbier ans Herz gelegt wird, wo man über 100 Biersorten bestaunen und kosten kann. Das klingt doch eindeutig lustiger als ein Besuch der Wagner-Festspiele, wollen wir festhalten. Da klappt das mit der Gästeliste auch irgendwie nie.
Auf dem Weg wartet dann noch eine handfeste Überraschung der akustischen Art: neben den üblichen Rockabilly-Kombos, Akustikschrammlern und dem wie stets absonderlichen Kopfhörer-Klaumauk eines Kommerzradiosenders gibt es auch astreinen Rock zu bestaunen. Den liefert Hound ab, eine Kombo, die nach eigenem Bekunden acht Stunden Fahrt in Kauf genommen hat, um hier und heute eine Stunde lang einzuheizen. Und das hat sich in jedem Falle gelohnt, denn die Herrschaften kredenzen eine derart stilechte Variation von 70er-Deep Purple-Klängen, dass es eine Art hat. Auch optisch absolut stimmig, mit Vintage-Bass, Orgel und wüsten Haupthaar, gefallen die Jungs einer durchaus stattlichen Anzahl von Schlachtenbummlern, die teilweise abgehen wie die Flummis.
Da trifft es sich gut, dass ganz in der Nähe wieder Spannendes an der Getränkefront lockt: in leuchtendem Blau winkt uns da nämlich das Babo Blue, eine Mischung aus 60% Bier und 40% Beerenlimonade, die es auch medial zu Bekanntheit gebracht hat. Ausgedacht haben sich die Melange ein paar Studenten des Brauwesens aus Weihenstephan, die ihr Bier nach rheinischer Brauart kreieren und mit schmackigen Beerensaft zu einem Radler der ganz eigenen Art vermengen. Diese Idee führten die Herrschaften dann auch in der Finanz-Casting-Show Die Höhle der Löwen vor, und mein generelles Misstrauen gegen jegliche Form der kommerziellen TV-„Formate“ erweist sich hier einmal als unbegründet: man habe in der Tat einen Investor gefunden, dann aber doch auf Fremdmittel verzichtet und betreibt die Sache weiter auf Liebhaberbasis. Schmecken tut uns das auch lustig verpackte, höchst erfrischende Mischgetränk ganz vorzüglich, und weil wir schon da stehen und Hound so ordentlich auf den Putz hauen, probieren wir auch gleich noch das Isarkindl, das ebenfalls von Studenten als Startup hergestellt wird, mit denen man sich den Stand teilt. Dieses typische Helle, das wie Babo Blue im Rahmen des Innovationswettbewerbs für Getränke und Lebensmittel an der Uni ersonnen wurde, läuft ebenfalls hervorragend rein, während wir mit Minuspol den Dritten im Bunde am Stand bestaunen. Blauer geht’s nun wirklich nicht – kein Wunder, besteht dieser Likör doch aus Eisbonbons, in Wodka aufgelöst sind. Das klingt spannend, aber wir bleiben erst einmal beim Bier.
Das kredenzt uns dann einige Stände weiter die gut gelaunte Mannschaft vom Hopfmeister, die zu allererst Mal den T-Shirt-Contest für sich entscheiden: „Grantig. Bayrisch“ sei man, aber das ist positiv, eigenwillig gemeint. Auch ihren Biersorten geben die Herrschaften allesamt bayrisch-lustige Namen wie Gipfelglück (exotisches Weißbier), Road Trip (ein IPA, das von einer Irland-Reise inspiriert wurde), Surfers Ale (ein helles Pale Ale, so benannt, weil Gründer Marc Gallo passionierter Eisbach-Surfer ist) oder Franz Josef. Eingedenk unseres früheren Landesvaters, probieren wir natürlich letzteres und konstatieren: ein unfiltriertes Helles, das durch enorme Fruchtigkeit glänzt und durch späte Zusetzung amerikanischer Hopfensorten Anklänge an Grapefruit und Passionsfrucht zaubert. Noch exotischer wird’s dann aber bei der Gurken Gose, die – man glaubt es kaum – wirklich mit frischen Gurken gebraut wird. Das ist in der Tat ein eigener Geschmack, wobei wir erfahren, dass man das Ganze im Rahmen des „gypsy brewing“ herstellt, zu Deutsch eingemietet bei einer anderen Brauerei, in diesem Falle die Schlossbrauerei Hohenthann bei Landshut. Einzige Ausnahme ist die Gurken Gose, die nun nicht unbedingt dem Reinheitsgebot entspricht und deshalb in Tschechien gebraut und dann importiert wird.
Am Start ist man seit 2015, wo man sich auf der Braukunst Live erstmals dem Publikum präsentierte und seitdem einige Preise, unter anderem auch für das schicke Flaschendesign, einheimsen konnte. Nach der sehr eigenwilligen, aber frech anderen Gurke und dem süffigen Franz Josef wechseln wir dann gegen Ende noch das Metier: am Stand von The old Irish Pub gibt es neben dem obligatorischen schwarzen irischen Nationalgetränk wie immer eine mehr als eindrucksvolle Sammlung von Whisky und Whiskey, die jedem Liebhaber das Herz höher schlagen lassen. Kein Wunder, nennt Münchens ältester Pub doch vor Ort in der Giselastraße mit über 200 Sorten eines der umfangreichsten Sortimente überhaupt sein eigen. Wir bestaunen gerade die stylische Octomore-Flasche, als eine arme, verirrte Seele doch tatsächlich fragt, ob es denn hier auch Whisky Sour gebe.
Das wird natürlich entsprechend quittiert („Wir nehme das hier ernst!“), und wir stehen vor der Qual der Wahl, die schließlich auf einen Talisker 57 North (auf diesem Breitengrad liegt die Brennerei, aha! again what learned!) und einen Macallan Amber fällt. Der Talisker besticht durch das bekannt-torfige Aroma, das allerdings enorm gediegen und mild daherkommt und mit leicht asiatischer Gewürznote harmoniert. Brillant! Auch der Macallan kann mit seiner feinen Mischung aus Zitrus- und Vanille-Noten auf ganzer Linie überzeugen. So, nach diesem Hochgenuss gilt wohl das Motto von Ollie Kahn: was soll da jetzt noch kommen? Deshalb lassen wir das Tasting für heute gut sein, zumal die Stände ohnehin langsam wieder zugeklappt werden, statten unserem Lieblingslokal noch einen ebenfalls traditionellen Besuch ab, bewundern noch ein wenig das fein beleuchtungstechnisch inszenierte Siegestor und sinnieren noch ein wenig über die bunte Vielfalt, die man erleben durfte. Natürlich alles komplett vegan, versteht sich.