The Last Supper oder Rebellion im Glas: Aureum 1865 Special Edition - der Grave-Digger-Whisky
/Lange haben wir es angekündigt, jetzt ist es endlich soweit: Nachdem unser geschätzter Special Guest Bernd Weigand schon einen Überblick über Getränke lieferte, die Spuren von Metall enthalten können, machten wir uns auf zum ersten Live-Test – in trauter Runde wurde die Grave-Digger-Edition des Aureum verköstigt, gewürdigt und gewertet.
Prelude
Bewaffnet mit Tasting-Spinne (dahinter verbirgt sich entgegen erster Vermutungen kein abgerichtetes Tier, sondern eine professionelle Grafik-Vorlage, deren Sinn ich in verschiedenen Präsentationen vergeblich versucht habe zu ergründen und nun endlich erfasst habe!), kleinen Knabbereien nach Expertenrat (trockene Kekse, nichts allzu Würziges!) und natürlich standesgemäßer Beschallung (neben der Kühles-Zeug-Playlist 2015 natürlich auch immer wieder DAS Grabschaufler-Highland-Highlight schlechthin: „Rebellion“) steigen wir in den Ring. Nach einer kleinen Einführungsrunde mit einem 12jährigen Glenlivet (gefällig, blumig, hübsch) zum grundsätzlichen Verstehen des Systems, sachkundig erläutert von Zeremonienmeister und Naturwissenschaftler Sebbes, wenden wir uns dem eigentlichen Studienobjekt zu – der Grave-Digger-Edition des Aureum 1865 Single Malt aus der traditionsreichen Brennerei Ziegler. Die befindet sich – wie passend für unsere Postille, deren beiden Haupturheber aus eben dieser Gegend stammen – am schönen Untermain, genauer gesagt in Freudenberg, und ist in erster Linie landauf, landab berühmt für ihre feinen Obstbrände, die sie seit 1865 fabriziert. Der bekennende Veganer und Spirituosen-Kenner Axel Ritt, seines Zeichens hauptberuflich als Gitarrist bei Chris Boltendahls Metal-Institution tätig, lieferte die Idee zu einem eigens gelabelten hochgeistigen Getränk, was ja nicht zuletzt durch die Schottland-Schlagseite der Kombo bestens ins Bild passt (dass der Cheffe selbst nicht beurteilen kann, wie die Sache schmeckt, da er seit 15 Jahren Abstinenzler ist, steht auf einem anderen Blatt).
Zur Methodik
Bevor es aber jetzt wirklich los geht, ein paar Worte zu unserem Testaufbau. Wir haben uns dafür entschieden, das Tasting in drei Phasen zu gliedern:
Phase 1: Geschmackliche Baseline finden
Um die Kompassnadel erstmal gerade zu stellen und den Alkohol (ja, der erste am Tag brennt am meisten) nicht überzubewerten, haben wir uns mit einem klassischen Everydaywhisky (Glenlivet 12J) eingependelt: etwas Leichtes zum Eingewöhnen, aber nicht zu viel tragende Aromen.
Phase 2: Volle Konzentration auf das Objekt der Begierde
Um hier ein bisschen Ordnung reinzubekommen, nutzen wir die schon erwähnte Tastingspinne, die sich unter anderem auf der Tastingnotevorlage von MiezeundToast befindet. Danke schon mal dafür! Dazu noch ein Tastingwheel, das wir bei Whiskymag aufgesammelt haben. Das hat allerdings kaum was gebracht, denn wenn man das Rad auf DIN-A4 ausdruckt, ist die Schrift so klein, dass man eine Lupe oder aber Adleraugen bräuchte, um alles zu entziffern - beides war leider gerade nicht verfügbar. Aber immerhin konnten wir damit die Geschmacksrichtung "Feinty" durch den einen oder anderen Anhaltspunkt wie etwa Plastik, Schweiß und Leder etwas näher definieren. :-)
Danach das Übliche:
- Farbe notieren und Öligkeit feststellen
- Den Geruch auskosten und definieren
- Genießen und diskutieren - dabei aufpassen, dass man besonders hier und in Schritt 2 immer Recht hat
Phase 3: Blind in Texas
Wie schlägt sich das Teil subjektiv gegen andere Whiskys, eventuell die wichtigste Frage von allen. Dazu braucht man natürlich ein Opfer, welches in einem Nebenraum die Gläser vorbereiten muss, aber dafür den Spaß hat, das Schauspiel anschließend allwissend zu beobachten. Die Auswahl der Gegner ist dagegen nicht ganz so einfach. Am Ende sind es überraschenderweise vier Nichtschotten geworden. Immerhin ist der Aureum ja auch kein Vertreter dieser Nationalität.
- Nikka All Malt: Der Exote in der Runde; ein Blend aus Japan. Der Einzige mit einem kleinen Rauchanteil.
- Kilbeggan: Ein weiterer Blend, diesmal aus Irland. Einfach um zu sehen, wie weit wir mit einem wirklich günstigen Tropfen kommen.
- Slyrs Port Faß: Von der Idee her ein klarer Wettbewerber zum Aureum, etwas teurer, aus Bayern und mit einem Port Finish. Port gegen Kastanie - das verspricht, spannend zu werden...
Phase 4: Alles, was sonst noch so im Schrank ist
Ungeplant, aber unvermeidlich. Fängt normalerweise an mit Sätzen wie: "Den Ardbeg könnt mer aber jetzt auch noch mal probieren" oder "Vielleicht hätten wir doch besser den Cù Bòcan im Blindtasting genommen" (das wäre im Nachhinein tatsächlich sicher eine aufregendere Wahl gewesen, aber sei's drum).
Das Tasting
Auf dem virtuellen Plattenspieler dreht sich der Klassiker "Heavy Metal Breakdown" als Einstieg, bevor wir die "Tunes of War"-Scheibe auflegen, die inzwischen mehr Jahre auf dem Buckel hat als alle Whiskyflaschen im heimischen Glasschrank, um das Geschehen mit dem passenden Klangteppich zu unterlegen.
Jetzt aber zum Aureum. Als erstes fällt neben der durchaus formschönen Flasche (mit einem Kunststoffkorken, der alles fein frisch hält) das selbstbewusste Nennen des Alters auf: Stolz wird hier mit sechs Jahren geworben - was in internationalen Dimensionen etwas wenig anmuten mag, ist für deutsche Verhältnisse doch durchaus achtbar. Den Aureum gibt es von Ziegler auch noch als fünfjährige Ausprägung und bei genauerer Lektüre von Packung und Informationen auf der Website stellt sich dann ein durchaus spannender Lagerungsprozess heraus: Nach einem Jahr in neuen Eichen- und Kastanienfässern darf es sich das Destillat noch fünf Jahre in Ex-Bourbon-Fässern gemütlich machen und wird zu guter Letzt sogar noch um einen Schuss der hauseigenen Sherry-Reifung ergänzt, bevor es dann mit 43 % in üblicher Trinkstärke seine Aufwartung macht. Das ist durchaus statthaft, da ein Single Malt ja gerne aus mehreren Brennungen bestehen darf und soll, solange sie aus Gerste gewonnen sind und aus ein und derselben Destille stammen (während ein Blend aus den Produkten unterschiedlicher Brennereien und/oder unterschiedlichen Getreidesorten verschnitten wird).
Bei Lichte und ausgeschenkt betrachtet, erstrahlt der Aureum in einem Farbton, den wir in einer basisdemokratischen Abstimmung irgendwo zwischen Gold und Bernstein ansiedeln (die weiblichen Mitverkoster bieten ihr Schaugepränge in Form von Ringen gerne zum Vergleich), was dem Namen durchaus entspricht, der ja (wie wir alten Jäger-Lateiner natürlich wissen) nichts anderes bedeutet als gülden. Von der Konsistenz her liegt der Aureum eher auf der leicht öligen Seite der Skala. Dann auf zum fröhlichen olfaktorischen Teil der Veranstaltung: Im Glas entfaltet der Aureum einen unverkennbar haselnussig-eichenholzigen Duft, in dem auch einiges an Schokolade und Frucht mitschwingt und den noch faul am Tische rumstehenden Glenlivet vor Neid erblassen lässt. Auf den zweiten Riecher erkennen wir noch eine angenehme Biskuit-Note. Insgesamt in keinster Weise sperrig, sondern eher mild, fruchtig und süß, aber trotzdem gehaltvoll und überwältigend. Wenn der Geschmack hält, was der Geruch verspricht, haben wir es hier wirklich mit einem verdammt guten Stoff zu tun. Jetzt wollen wir aber Taten in Form von einem aussagekräftigen Schluck sehen.
Und da lauert nun eine kleine Überraschung: Denn auf dem Gaumen kommt der Aureum deutlich kraftvoller und jünger daher als in der Nase, es gilt zunächst eine doch spürbare, pfeffrig-alkoholische Schärfe zu umschiffen, bevor sich die Aromen verbreiten. Aber dann setzen sich wieder die charakteristischen Noten von Schokolade, Biskuit und jetzt auch Pflaume durch, die klar zu erkennen sind, sich aber leider nicht allzu lange im Abgang halten. Dazu kommt eine Würzigkeit, die dem Geruch nicht zu entnehmen war. Fazit im ersten Durchlauf: vom Geruch her wahrlich wunderbar, im Geschmack dann etwas rescher und aggressiver als erwartet. Nach zwei, drei weiteren Schlucken gewöhnt man sich schnell an die Schärfe und der Aureum wird tatsächlich immer süffiger.
Jetzt ohne doppelten Boden...
Wie geplant begnügen wir uns natürlich nicht mit einem simplen Versuchsaufbau, sondern lassen den Aureum noch im Blind Tasting antreten. Ohne zu wissen, was man vor sich hat, versuchen wir herauszufinden, ob wir es mit dem Iren, dem Japaner, dem Oberbayern oder dem Franken zu tun haben. Daneben soll noch eine subjektive Geschmacksreihenfolge aufgestellt werden. Also, los geht's! Sebastians Angetraute Anne meldet sich glücklicherweise freiwilig zum Anrichten. :-) Eine Runde Riechen und überzeugtes Diskutieren, während die Schankmeisterin als Alleinwissende miterleben muss, wie die Expertenrunde sogar den rauchigen Nikka mit den anderen verwechselt. Beim Aureum dagegen ist fast allen direkt klar, um was es sich handeln müsste. Erstaunlich schwierig gestaltet sich zu unserer Überraschung das Zuordnen des Slyrs.
Jetzt hält es die Runde wahrlich nicht mehr aus und wir stürzen uns auf die Gläser. Es ergibt sich ein ähnliches Bild wie beim Geruchstest. Der Aureum sticht mit seinem eigenen Geschmack deutlich heraus und siehe da, er ist der einzige in diesem Quartett, den jeder Teilnehmer aus unserer Expertenrunde zweifelsfrei lokalisiert – der nussige, rauchfreie Biskuit-Geschmack macht den Unterfranken durchaus unverwechselbar. Aber auch der Nikka lässt sich nun ziemlich gut aufspüren. Aber was ist denn hier mit Slyrs und Kilbeggan los? 16 € gegen 60 € und wir tun uns so schwer. Effektiv entschieden sich am Ende zwei am Tische tatsächlich dazu, den 16-€-Kilbeggan am Besten zu finden. Sebastian ist der Einzige, der alle Tropfen richtig zuordnen kann.
Hier unser aller subjektives Ranking:
- Sebbes: 1. Aureum, 2. Nikka, 3. Slyrs, 4. Kilbeggan
- Holgi: 1. Kilbeggan, 2. Aureum, 3. Nikka, 4. Slyrs
- Anne: 1. Nikka, 2. Kilbeggan, 3. Slyrs, 4. Aureum
- Melanie: 1. Kilbeggan, 2. Nikka, 3. Aureum, 4. Slyrs
Kein wirklich eindeutiges Bild, welches mehrere leichtfertig gezogene und nicht belastbare Schlüsse zulässt:
- Wir waren schon ganz schön angetrunken...
- Der Grave Digger Aureum kommt bei Männern besser an als bei Frauen.
- Der Grave Digger Aureum hat alle Plätze einmal besetzt. Die Geschmäcker sind durchaus verschieden.
- Kilbeggan... zweimal Platz 1 !?? Hallo? Sprachlos...
- Der Nikka schlägt sich ziemlich gut.
- Wer mehr Metal hört und aus Franken kommt, findet den Grave-Digger-Whisky besser.
- Der Slyrs ist ziemlich abgeschlagen...
Auch wenn weder Kollege Sebbes noch Holgi, die wir ja beide unsere Jugend über die Mainwiesen tollend verbrachten, das auf der Packung ausgelobte Aroma derselben zu erkennen vermochten, bleibt als abschließendes Urteil von Holgi und Sebbes dennoch unumstößlich stehen: „Der schmeckt!“ Vor allem im direkten Vergleich und auf den zweiten Blick punktet der Aureum auf ganzer Linie und ist somit ein gern gesehener und getrunkener Vertreter der noch jungen deutschen Whisky-Garde – vielleicht sollte Chris ja doch mal einen Schluck riskieren? Wir tun es in jedem Fall gerne wieder.
Den Durchmarsch durch die restliche Whiskyvitrine ersparen wir euch jetzt mal, ihr könnt euch sicher denken, wie das ausgeht. Ich erinnere mich nur noch an einen fäustereckenden Holgi, der bei einem YouTube-Konzertmitschnitt von Steel Panther vom Wacken Open Air 2014 komplett ausrastet. Eben just like Tiger Woods... (Anmerkung Holgi - und was genau ist daran falsch? Gar nichts!)
Das haben wir getestet:
Aureum 1865 Grave Digger Edition
Single Malt Whisky
Alter: 6 Jahre
0,7 l, 43 %
Preis: ca. 50 €
Danke an die Brennerei Ziegler, die uns den Whisky für dieses Tasting freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat.
Die Abenteuer von Axel Ritt im Land der Speisen, Getränke und Metal verfolgt man am besten auf seinem Ironfinger-Blog.
Und Grave Digger findet Ihr natürlich auf ihrer eigenen Homepage.