Fette Party: Manimal und Almanac heizen ein; Orden Ogan zerlegen das Backstage
/24.03.2016, Backstage, München
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Kennt ihr diese Tage, an denen man sich morgens schon wie ein kleines Kind auf irgendwas freut? Heute ist wieder einmal genau ein solcher, was nicht mal an den Kollegen im Büro unbemerkt vorbei geht. “Was ist denn mit Dir heute los?”, lautet dort die Frage, der ich mehrfach begegne. Grund der Aufregung ist die erste Headlinertour der Mittelalterbande von Orden Ogan, die an diesem denkwürdigen Abend im Münchner Backstage Halt macht. Endlich mal Orden Ogan ohne nervige Nachband, spricht der Kenner! Beginn 19:30 Uhr - da muss das Abendessen wieder mal ausfallen und während ich mir beim Bäcker noch einen Kirsch-Vanille-Plunder auf die Hand nehme (Kirsch-Vanille-Plunder sind voll Metal!!), bin ich auch schon unterwegs, denn die Vorvorband Manimal hat mich, wie ihr hier nachlesen könnt, 2009 mit ihrem Debutalbum komplett weggeblasen. Danach wurde es ruhig um die Kapelle aus Schweden und ich hab mehrmals daran gezweifelt, ob die überhaupt noch Musik machen. Wie aus dem Nichts tauchte dann 2015 das zweite Album “Trapped in the Shadows” auf und endlich ergibt sich die Möglichkeit, diese Kapelle mal live zu erleben.
Nach dem Treffen mit einem begeisterungsfähigen Ex-Blind-Guardian-Hörer und bewaffnet mit einer Flasche (ja, heute gibt es Bier in Flaschen) Augustiner machen wir es uns in Reihe drei, wo noch reichlich Luft ist, gemütlich und harren der Dinge, die da kommen. Die wiederum lassen nicht lange auf sich warten und kommen in Form der vier Schweden von Manimal mit schwarz ummalten Augen und teuflischen Blicken (dank lustiger Augenlinsen) pünktlich auf die Bühne gesprungen und legen mit dem vorzüglich groovenden “Shadows” vom Debutalbum furios und mit nicht zu unterschätzender Dezibelzahl los. Die Energie, die Manimal mitbringt, überträgt sich tatsächlich auch schnell aufs Publikum, welches sich nun schleunigst vor der Bühne versammelt und anfängt, Fäuste zu recken. Mit “The Dark” werfen die Schweden uns danach einen ebenfalls tollen Song vom neuen Album entgegen. Der ein oder andere hier fragt sich sicher verwundert, wie der schlacksige Sänger Samuel Nyman Töne, denen aufgrund der schieren Höhe nicht jedes Weinglas standhalten dürfte, herauswürgt. Nichtsdestotrotz kommt der Stoff, der sich zwischen helloweenschen Melodien und fetten judas-priestschen Riffs hin- und herbewegt, blendend an und führt zu Applausbekundungen, die man selten bei einer ersten Vorband hört und von denen offensichtlich auch die Band selbst nicht unüberrascht ist. Nach einer viel zu kurzen guten halben Stunde Fäusterecken hauen uns Manimal noch die aktuelle Single “Irresistible” um die Ohren, mit der sie sich dann auch leider schon verabschieden. Aber nicht ohne dass man sich noch mal zünftig beklatschen lässt - und siehe da, sogar der grummelige Gitarrist Henrik Stenroos, der bis jetzt alles dafür getan hat, möglichst grimmig dreinzublicken, fängt an, fröhlich ins Publikum zu lächeln. Hervorragender Auftakt!
Also weiter zu Highlight Nummer zwei für heute Abend. Victor Smolskis Almanac steht auf dem Programm. In Rekordzeit ist die Bühne umgebaut, das Licht verdunkelt sich und bevor man so richtig realisiert, was passiert, kommen Victor Smolski, Sänger David Readman (Pink Cream 69, Voodoo Circle), Sängerin Jeanette Marchewka und Sänger Andy B. Franck (Brainsorm, Symphorce, Ex-Ivanhoe) plus noch ein Basser und ein Schlagzeuger in adretten Fräckchen auf die Bühne. Ja, ihr habt richtig gelesen, eine Gitarre, dreimal Gesang!!! Und klar, dass Herr Smolski sich hier aus der ersten Reihe der Gesangeskünstler bedient. Dementsprechend geht auf der Bühne von Anfang an die Post ab. Ja, hier wird geklotzt und nicht gekleckert. Victor zaubert pausenlos (und scheinbar mühelos) vertrackte Tonfolgen aus seiner Gitarre, während die vereinte Sängerschar dafür sorgt, dass manchmal gleich drei oder mehr Melodielinien die Lieder mitsingkompatibel halten. Schon der Opener “Self-Blinded Eyes” zieht alle Register der symphonisch-melodischen Werkzeugkiste. Was für ein epischer Refrain!! Was für eine Ansammlung herrlicher Charaktere! Wer jetzt vermutet, dass die Härte bei einer solchen Kombo auf der Strecke bleiben muss, täuscht sich gewaltig, denn Herr Smolski weiß auch genau, wie ein schmissiges Metalriff mit treibender Doublebassuntermalung zu klingen hat. Das führt dazu, dass sich schon diverse Haarprachten im näheren Umfeld im Kreise bewegen. Spätestens mit dem Riffkracher “Hands are Tied”, der brutalst aus den Boxen drückt, dürfte das wohl auch dem letzten klar geworden sein. Auf der Bühne herrscht immer noch ein Wechselbad der Gefühle und Sänger, die - jeder auf seine eigene Art - professionell mit dem Publikum spielen. Während Andy wohl jedem in den ersten fünf Reihen mal ganz tief in die Augen blickt, verzaubert Jeanette mit ihrem hinreißenden Lächeln, dem eigentlich für Metalverhältnisse recht konservativen Hemdchen, welches aber immer mal wieder einen zentimeterbreiten Blick auf den Bauchnabel freigibt, und einer Bombenstimme, während David fast das Mikro abbeißt und seine blonde Mähne zur Schau trägt. Die schwierige Aufgabe hat das Publikum, das sich bei diesem Blumenstrauß an Impressionen entscheiden muss, worauf es sich konzentrieren soll. Technisch, visuell und akustisch ist das hier ganz, ganz großes Metal-Kino. Gegen Ende der Show werden mit ”Innocent” und “Empty Hollow” auch noch zwei Songs aus Victors Rage-Zeit zum Besten gegeben, die sich nahtlos in das Almanac-Repertoire einreihen und deutlich machen, wer in den letzten Jahren bei Rage wohl das kreative Mastermind war.
Ich bin jetzt schon zum zweiten Mal heute sprachlos. Das war absolut headlinerfähig, das schreit nach großen Bühnen und Stadien (@Rockavaria, Wink... Zaunpfahl… wie wär's??). Was soll da jetzt noch kommen?! Tatsächlich mache ich mir gerade Sorgen, dass Orden Ogan dem Druck und der Professionalität, die die Kollegen von Almanac hier aufgefahren haben, nicht standhalten könnten.
Aber diesen Gedanken wischen die ersten Takte von Orden Ogan sowas von weg!!
Hallo, was geht denn hier ab?! Wie immer in Lumpen gekleidet, aber dafür frisch gewaschen und mit einem unübersehbaren Lächeln im Gesicht brettern Orden Ogan den Schlachtenbummlern “Ravenhead” vom letzten Album um die Ohren. Menschen, Haare, Fäuste - in den ersten Reihen fliegt alles durcheinander, während Seb, Tobi und Nils vergnügt auf das blicken, was ihre Musik hier mit dem Publikum im Backstage macht, welches sich quasi nicht wehren kann. “Land of the Dead”, der nächste Schlag, der sitzt. Zu der Härte gesellen sich die wohlbekannten Chöre und dann holen die Kollegen zu dem Brecher aus, der das Publikum dann vollends aus dem Häuschen holt: “We are Pirates”. Sicherlich eine der Bandhymnen überhaupt, jetzt als dritter Song?? Was geht? Neben mir umarmen sich Menschen, weinen vor Freude, sitzen sich auf den Schultern, pogen, headbangen, singen... Was für eine Party! Und jetzt? Ein Song, den Orden Ogan noch nie live gespielt haben? Bitteschön: “The Black Heart” vom Easton-Hope-Album. Was für ein Kracher! Ob sie jetzt mal etwas Tempo rausnehmen? Den nächsten Songwechsel nutzt das Publikum, um Fußballsongs anzustimmen, was Seb mit einem lässigen “Nee, oder?” kommentiert. Nachdem sich die Sänger nicht beruhigen lassen wollen, holt Seb aus: “Sauft, ihr Säcke!”. Sofort verstummen die Gesänge und grobe 300 Mann und Frau brettern ein “Sauf, du Sack" zurück. Irre! Ruhiger wird es erst einige Songs später mit der Halbballade “The Ice Kings”. Damit die Stimmung darunter nicht leidet, bewerfen Orden Ogan das Publikum mit mehreren Kilo Konfetti von oben, welches dankbar entgegengenommen wird. Seb nutzt die Ruhe aus, um von Currywürsten und wie gern die Band diese mag zu erzählen (was immer mal wieder an diesem Abend passieren sollte). Sind halt nicht alle gut, da Schlagzeuger Dirk mal von einer Fieber bekommen hat. Perfekte Überleitung zu “F.E.V.E.R.", welches die Stimmung wieder antreibt. Klar, dass die Jungs nicht ohne Zugaben von der Bühne dürfen, die dann mit “Evil Lies in Every Man” und “Mystic Symphony” auch schleunigst gewährt werden. Währenddessen sitzt neben mir eine Mannschaft aus locker zehn Leuten am Boden, die Ruderbewegungen macht. Ohne Worte!
Puh, was für ein herausragendes Konzert geht hier gerade zu Ende?! Nachdem wir uns entscheiden, das Gehörte mit einem kleinen Bier nochmal Revue passieren zu lassen, treffen wir an der Theke zuerst auf den Almanac-Basser Armin Alic, der ein bisschen aus dem Nähkästchen erzählt, wie toll denn die Arbeit mit Victor Smolski sei und wieviel Spaß sie auf Tour haben. Während wir mit ihm diskutieren, ob wir den Haselnussschnaps, den es hier neuerdings an der Theke gibt, probieren, taucht der Cheffe Victor Smolski selbst mit einem Becks (?!) in der Hand auf und lässt es sich nicht nehmen, erstmal über die Ex-Kollegen von Rage herzuziehen: “Da übt keiner mehr was, die sind so faul!” Almanac dagegen hätten einen ganz anderen Drive. Richtig, stimmen wir fachkundig zu. :-) Außerdem freuen wir uns zu hören, dass Victor noch ein paar Ideen auf Lager hat und dass es wohl auch noch eine Almanac-Headlinertour geben wird. Die Chance auf ein gemeinsames Foto nutzen wir ebenfalls, bevor wir glückselig anstatt direkt heimzugehen im benachbarten Club landen und dort den Abend ausklingen lassen.